Determinanten der Einkommensverteilung: Die Rolle der Fiskalpolitik

Ungleichheit in all ihren Fassetten steht seit einigen Jahren im Fokus des wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurses. Dabei spielen selbstredend die sozialen und politischen Konsequenzen der verschiedenen Formen von Ungleichheit eine wichtige Rolle, jedoch ebenso ihre Ursachen. Zu den wichtigsten Treibern der wachsenden Disparität in der Einkommensverteilung zählen unter anderem technologischer Fortschritt, Finanzialisierung, Arbeitslosigkeit, Steuerprogressivität und Bildung. Gerade in Hinblick auf die letzten drei genannten Punkte ist augenscheinlich, dass die Entwicklung dieser Faktoren maßgeblich durch staatliches Handeln beeinflusst werden kann. Folglich stellt sich die Frage, ob wirtschaftspolitische Entscheidungen in Deutschland und Europa dazu beigetragen haben, die Einkommensungleichheit zu verstärken und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um eine gegenteilige Entwicklung anzusteuern.

Die entwickelten Volkswirtschaften erlebten seit den 1980er Jahren eine Kursänderung hin zu marktliberaler bis marktradikaler Wirtschaftspolitik, welche sich durch Steuervergünstigungen für Unternehmen, Privatisierung und den Abbau des Sozialstaates äußerte. Die Umsetzung der genannten Maßnahmen erfolgte oft im Kontext fiskalischer Konsolidierungen, welche die Wirtschaftspolitik der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion spätestens seit der Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 prägten. Die Konsequenzen sparpolitischer Maßnahmen für die Einkommensungleichheit sind in der akademischen Literatur bisher nicht sehr detailliert ausgeleuchtet worden, weshalb ihnen das Hauptaugenmerk meines Forschungsprojektes gilt. Auf makroökonomischer Ebene existieren bereits einige Studien, welche sich mit dem Zusammenhang von Austeritätspolitik und Einkommensungleichheit auseinandersetzen und empirische Belege dafür liefern, dass eine Korrelation der beiden Variablen vorliegt. An dieser Stelle knüpft mein Vorhaben an, wobei das Ziel darin besteht, eine breitere Palette an Verteilungsvariablen in die Analyse einfließen zu lassen als in der Literatur üblich, um damit Aussagen über Umverteilungseffekte treffen zu können. Dabei steht im Mittelpunkt, welche Einkommensgruppen besonders stark durch Konsolidierungsmaßnahmen belastet werden und zwischen welchen Gruppen umverteilt wird.

Der zweite und dritte Teil des Forschungsprojektes soll dagegen aus mikroökonomischer Perspektive beleuchten, welche Verteilungswirkung öffentliche Güter entfalten können. Dabei wird zunächst in einer Partialinzidenzanalyse untersucht, welche Auswirkungen von sparpolitischen Reformen im Gesundheitssektor auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen ausgehen. Es geht also um die Frage, ob Maßnahmen wie die Einführung der Praxisgebühr im Jahr 2004 oder die Erhöhung der Kassenbeiträge im Jahr 2011 zu einer geringeren Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen in verschiedenen Einkommensschichten geführt haben. Eine zweite Partialinzidenzanalyse wird bezüglich des Bildungssystems durchgeführt und geht der Frage nach, ob ein Zusammenhang zwischen dem erreichten Schulabschluss und der Erreichbarkeit öffentlicher Güter besteht. Verantwortlich für geringere Bildungsgrade muss nicht allein die räumliche Allokation höherer Bildungseinrichtungen sein. Auch die Ausstattung und Erreichbarkeit des öffentlichen Personen-Nahverkehrs kann in verschiedenen Regionen stark variieren und Einschränkungen der Erreichbarkeit hervorrufen. Vor allem der Regionalverkehr, welcher durch weitgehende Privatisierung und aufgrund seiner geringen Profitabilität einen Rückbau erlebte, könnte hier eine entscheidende Rolle spielen.