Funktionsweise

Die wesentlichen Funktionen dieser modernen neuronalen Geräte basieren auf einer bidirektionalen Schnittstelle (bidirectional interface), um die Kommunikation zwischen Mensch und Technologie zu ermöglichen. Mit Hilfe der bidirektionalen Schnittstelle werden zwei Hauptaktivitäten ermöglicht:

1. Read-out (Auslesen): Das Aufzeichnen neuronaler Aktivität, um neuronale Aufgaben oder Absichten auszulesen.

2. Write-in (Einschreiben): Die Durchführung elektrischer Stimulation, um neue Informationen in das Gewebe einzuschreiben oder Symptome zu unterdrücken.

Anwendungsbereiche

Die Neuro Devices dienen dazu, motorische oder sensorische Verlustfunktionen wiederherzustellen und Symptome zu unterdrücken. Dazu zählen:

Tiefe Hirnstimulation (DBS): Wird zur Behandlung von Parkinson-Patienten eingesetzt, um unkontrollierbares Zittern zu reduzieren und die motorische Kontrolle wiederherzustellen

Retinale Implantate: Können bei Patienten mit Retinopathia pigmentosa das Sehen wiederherstellen, indem sie Daten einer externen Kamera in neuronale Signale der Retina übersetzen

Wiederherstellung von Bewegungsfreiheit: Bei Querschnittslähmungen können Bewegungsabsichten aus Gehirnsignalen aufgezeichnet werden, um eine Prothese oder ein Exoskelett zu steuern. Neuronale Geräte können das Gehen nach einer Rückenmarksverletzung wiederherstellen.

Kommunikation: Brain-Computer-Interfaces (BCIs) im Motorkortex können verwendet werden, um beabsichtigte Sprache oder Handschriftmuster zu dekodieren, insbesondere bei Patienten mit schweren Lähmungen oder kognitiven Störungen.

Ein Utah Array

Die Relevanz der Mikroelektroden-Arrays (MEAs)

MEAs sind entscheidend für invasive Technologien, da sie gegenüber nicht-invasiven Methoden, wie dem EEG eine überlegene zeitliche und räumliche Auflösung bieten. Dies ist notwendig, um die Aktivität einzelner Neuronen (Spikes) präzise zu verfolgen und eine Echtzeit-Verarbeitung von neuronalen Signalen zu ermöglichen, um beispielsweise Bewegungsabsichten vorherzusagen (Neural Decoding). Die Wechselwirkung zwischen Gewebe, Benutzer und Umgebung bei neurodegenerativen Erkrankungen oder Verletzungen wird durch die Verwendung penetrierender/invasiver Mikroelektroden für extrazelluläre Aufzeichnungen und Stimulation ermöglicht.

Die End-to-End-Signalverarbeitungspipeline

In unsere Forschung fokussieren wir uns besonders auf die Optimierung der End-to-End-Signalverarbeitungspipeline für invasive BCIs, die in der Regel penetrierende Mikroelektroden-Arrays (MEAs) wie Utah- oder Michigan-Arrays verwenden.
Die Pipeline ermöglicht eine zuverlässige Closed-Loop-Signalverarbeitung in Echtzeit. Die Verarbeitung der Spike-Aktivität dient zur drastischen Reduzierung der Feature-Anzahl für das anschließende Decoding

Die Stufen der End-to-End-Signalverarbeitungspipeline

1) Analoge Verarbeitung (Digitization of Neural Input): Die erste Stufe wandelt das analoge Eingangssignal in das digitale Format um.

2) Spike Sorting (Neuronale Signal-Vorverarbeitung): In dieser Stufe wird die Rohdaten verarbeitet, um Spike-Aktivität zu detektieren und Aktivitäten verschiedener Neuronen zu separieren. Dies komprimiert die Anzahl der Features für das anschließende Decoding drastisch.

3) Neural Decoding: Hier werden die resultierenden Spike-Sequenzen interpretiert, um beispielsweise Bewegungsabsichten vorherzusagen oder kognitive Zustände zu identifizieren.

Schematische Darstellung der End-to-End Signalverarbeitungspipeline

Weitere Forschungsvorhaben

Der zentrale technologische Schwerpunkt liegt in der Hardware-Implementierung und der Verlagerung der Verarbeitung auf implantierbare oder tragbare Hardware, um Echtzeitverarbeitung, geringe Latenz und hohen Patientenkomfort zu gewährleisten.

Ressourcenbeschränkung: Rechnerisch komplexe Algorithmen, insbesondere Deep-Learning-Algorithmen, können oft nicht On-Chip oder auf eingebetteten Systemen ausgeführt werden. Es ist notwendig, den Speicher- und Rechenaufwand zu minimieren und gleichzeitig geringen Stromverbrauch (low-power) zu gewährleisten.

Verlagerung der Verarbeitung: Der Trend geht dahin, alle notwendigen Algorithmen vom Remote-Prozessor (Workstations) auf On-Implant-Elektronik oder Wearable Devices zu übertragen. Dies reduziert die Datenrate um bis zu 600-fach pro Kanal, da Spike Trains anstelle von Rohdaten übertragen werden.

Deep Learning Optimierung: Die hohen rechnerischen Anforderungen von Deep Learning stellen große Herausforderungen für die Integration in eingebettete Hardwaresysteme dar.

Forschung zur Effizienzsteigerung: Im Kontext der Deep-Learning-Anwendungen auf ressourcenbeschränkten Geräten wird intensiv an der Reduzierung des Speicher- und Rechenaufwands geforscht.

Quantisierung: Fixed-Point (FxP) Quantization Schemes reduzieren die Bitbreite von Parametern (Gewichten und Biases), um den Speicherverbrauch zu senken und Berechnungen zu beschleunigen.

Quantized Parameter Updates (QPU): Ein neuer Ansatz, der stochastisches Runden (Stochastic Rounding, SR) nutzt, um beim Training von neuronalen Netzwerken (z. B. auf dem FASHION-MNIST-Datensatz) eine vergleichbare Leistung wie der Straight-Through Estimator (STE) zu erzielen, jedoch den Speicherverbrauch während des Trainings erheblich reduziert (z. B. auf 57 % der Speichernutzung im Vergleich zu STE).

Ansprechpartner: Dr.-Ing. Andreas Erbslöh