Informationen zum Forschungsprojekt

Ganztagsförderung für Grundschulkinder: Organisationsmodelle und Beschäftigungsbedingungen

Ziel und Aufgabenstellung

Nachdem im Herbst 2021 ein Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz – GaFöG) verabschiedet wurde, haben Grundschulkinder, die im Jahr 2026 oder später in die erste Klasse kommen, einen Rechtsanspruch auf eine Förderung im Umfang von acht Stunden pro Werktag (einschließlich des Unterrichts) in einer Kindertageseinrichtung oder einer Grundschule (§ 24 Abs. 4 SGB VIII in der ab 2026 geltenden Fassung). Insbesondere in den meisten westdeutschen Flächenländern erfordert die Umsetzung des Rechtsanspruchs einen erheblichen Ausbau des Angebots. Dabei knüpfen die Bundesländer an sehr unterschiedliche Organisationsmodelle an (im System der Kinder- und Jugendhilfe mit Horten oder Gruppen für Schulkinder in altersgemischten Kindertageseinrichtungen und im Schulsystem mit offenen oder (teil-)gebundenen Ganztagsschulen). Die meisten Organisationsmodelle beinhalten eine Beteiligung von freien Trägern der Jugendhilfe, bspw. als Träger von Horten oder als Kooperationspartner für die Gestaltung von Angeboten an Schulen. Während es für Horte und andere Kindertageseinrichtungen in der Regel klare Vorgaben für Personalschlüssel und Qualifikationen gibt, sind Angebote im Schulsystem häufig durch einen hohen Anteil (teils prekärer) Teilzeitbeschäftigung und sehr heterogen zusammengesetzte Teams gekennzeichnet.

Mit dem Projekt sollte Handlungswissen bereitgestellt werden, das dazu beitragen sollte, die Umsetzung des Rechtsanspruchs mit guter Qualität zu gestalten und dessen bildungs- und sozialpolitische Potenziale auszuschöpfen – Abbau herkunftsbedingter Ungleichheit von Bildungschancen durch ganztägige Förderung und Armutsprävention durch die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Vorgehensweise

Im Projekt wurden die folgenden Forschungsfragen bearbeitet:

  • Welche Typen von Organisationsmodellen für die Ganztagsförderung von Grundschulkindern waren in den Ländern vorzufinden? (Transparenz)
  • Welche Implikationen hatten die unterschiedlichen Organisationsmodelle für die Praxis der Träger bei der Umsetzung der Angebote, insbesondere im Hinblick auf Teamstrukturen, Personaleinsatz, Qualifikationsstruktur und Beschäftigungsbedingungen sowie auf die Kooperation Jugendhilfe/Schule? (Wirkungszusammenhänge)
  • Welche Anforderungen und Gestaltungsoptionen für eine Weiterentwicklung der Organisationsmodelle ließen sich identifizieren? (Gestaltungspotenziale)

Das Projekt verfolgte einen ko-konstruktiven Ansatz und wurde in Kooperation mit der GEW und der AWO durchgeführt. Es enthielt drei Arbeitspakete:

Arbeitspaket 1: Organisationsmodelle für die Ganztagsförderung Exemplarische Analyse von unterschiedlichen Typen von Organisationsmodellen (Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen) auf der Basis von Dokumentenanalysen und Expertengesprächen

Arbeitspaket 2: Implikationen unterschiedlicher Organisationsmodelle Qualitative Beschäftigtenbefragungen (im Rahmen eines Lehrforschungsprojektes), digitale Mitglieder- bzw. Mitarbeiterbefragungen bei GEW und AWO sowie Interviews mit Trägervertreter*innen und Gruppendiskussionen mit Beschäftigten auf kommunaler Ebene

Arbeitspaket 3: Auswertung, Diskurs und Publikation Workshops und digitale Kurzveranstaltungen, Policy-Briefs und Abschlussbericht.

Ergebnisse

  • Ein zentrales Ergebnis der Dokumentenanalysen und Expertengespräche ist die Entwicklung und Typisierung von Organisationsmodellen in der Ganztagsförderung der Länder. Länderübergreifend lassen sich idealtypisch drei Formen von Organisationsmodellen unterscheiden, die in den einzelnen Bundesländern in jeweils spezifischer Form kombiniert und ausdifferenziert werden – das Organisationsmodell Kita, das Organisationsmodell Träger und das Organisationsmodell Schule (siehe IAQ-Forschung 2025-03, Kap. 2: Schilling/Stöbe-Blossey, S. 57).
  • In der Ganztagsförderung lassen sich verschiedene pädagogische Konzepte (geschlossen, teiloffen, offen) finden. Diese sind jedoch unabhängig von den Organisationsmodellen, sondern stattdessen standortabhängig und an den Bedürfnissen der Kinder und Mitarbeitenden orientiert. Es sind grundlegend ähnliche Grundstrukturen vorhanden, wenn auch eine unterschiedliche Ausgestaltung des Arbeitsalltags vorzufinden ist.
  • Es sind vor allem die inneren und nicht die äußeren Arbeitsbedingungen, die die Beschäftigten im Arbeitsfeld der Ganztagsförderung halten. 65% der Befragten aus der Online-Befragung möchten auch in Zukunft weiter in der Ganztagsförderung tätig sein. Die Zufriedenheit beruht allerdings hauptsächlich auf der Wertschätzung durch die Kinder und die eigene Erfüllung durch eine sinnstiftende Tätigkeit, indem die Beschäftigten einen wichtigen Beitrag zu einer positiven Entwicklung der Kinder leisten können. Die Zusammenarbeit und der Zusammenhalt im Team und eine gute Arbeitsatmosphäre gehen auch mit einer höheren Arbeitszufriedenheit einher.

Die Beschäftigten sind im Arbeitsalltag und -feld mit vielfältigen, häufig miteinander verschränkten, Herausforderungen konfrontiert: Mangelnde und zu kleine Räumlichkeiten, zu große Gruppen, körperliche und mentale Belastung durch hohe Belastungen und Lärmpegel sowie mangelnde Zeit- und Personalressourcen. Auch externe Faktoren wirken belastend auf das Personal, wie bspw. die als gering wahrgenommene Wertschätzung seitens Gesellschaft und Politik für ihre Arbeit und der zunehmend als herausfordernd wahrgenommene Umgang mit Eltern und Kindern.

 



 

  • Aufgrund dieser Belastungen ergeben sich Abkehrgedanken vom Tätigkeitsfeld. In der Onlinebefragung waren sich 28% der Befragten unsicher, ob sie in Zukunft weiterhin in diesem Bereich arbeiten wollen; 7% gaben an, dass sie den Ganztag verlassen möchten.

 

Publikationen zum Projekt

Mose, Chantal / Nieding, Iris, 2025: Zwischen Engagement und Erschöpfung – Arbeitszufriedenheit von Beschäftigten in der Ganztagsförderung für Grundschulkinder. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2025-04 | DOI-Link| Info | Lesen

Stöbe-Blossey, Sybille, 2023: Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung für Grundschulkinder: Strukturen und Herausforderungen. Duisburg: Inst. Arbeit und Qualifikation. IAQ-Report 2023-07 | DOI-Link| Info | Lesen

Vorträge zum Projekt

Chantal Mose, Iris Nieding, Katharina Schilling: Qualitätsfragen in der Ganztagsförderung 2026 – Einblicke von OGS-Beschäftigten aus NRW. "Bildung als Schlüssel für gesellschaft­liche Herausforderungen: Interdisziplinäre Beiträge aus der Bildungs­forschung", 12. Jahrestagung der Gesellschaft für empirische Bildungsforschung (GEBF), 27.-29.01.2025, Universität Mannheim, 29.01.2025  Weitere Informationen

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Dr. Sirikit Krone, Chantal Mose, Iris Nieding: Ganztagsförderung für Grundschulkinder: Organisationsmodelle und Beschäftigungsbedingungen (Ganz-OB). Forschungsprojekt mit Förderung der Max-Träger-Stiftung in Kooperation mit GEW und AWO. Digitale Veranstaltung, 27.11.2024  Vortragsfolien

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Dr. Sirikit Krone, Chantal Mose, Iris Nieding: Ganztagsförderung für Grundschulkinder: Organisationsmodelle und Beschäftigungsbedingungen (Ganz-OB). Forschungsprojekt mit Förderung der Max-Träger-Stiftung in Kooperation mit GEW und AWO. Digitale Veranstaltung, 11.11.2024  Vortragsfolien

Dr. Sirikit Krone, Chantal Mose, Iris Nieding, Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Ganztagsförderung für Grundschulkinder: Organisationsmodelle und Beschäftigungsbedingungen (Ganz-OB). Forschungsprojekt mit Förderung der Max-Träger-Stiftungin Kooperation mit GEW und AWO. 1. Sitzung des Beirats, 03.07.2024  Vortragsfolien

Iris Nieding: Ganztagsförderung für Grundschulkinder: Organisationsmodelle und Beschäftigungsbedingungen. AWO Fachkonferenz "Organisationsmodelle und Beschäftigungsbedingungen im Ganztag – Die AWO gestaltet Ganztagsbildung mit!", 06.06.2024

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Die Offene Ganztagsschule – Blick zurück nach vorn „20 Jahre OGS – gestärkt voran!“. Regionalkonferenz „Offene Ganztagsschule“ des Regierungsbezirks Düsseldorf. Oberhausen, 28.05.2024  Vortragsfolien

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Worte finden für ... – Ein Bildungsleitbild gestalten für die Bildungsregion Hersfeld-Rotenburg. 1. Bildungskonferenz im Landkreis Hersfeld-Rotenburg, 29.04.2024  Vortragsfolien

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Die Offene Ganztagsschule in Nordrhein-Westfalen - Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter – Rolle, Aufgabe und Qualifizierung von Ganztagskoordinator*innen. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Berlin, 29.02.2024  Vortragsfolien

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey, Dr. Sirikit Krone, Iris Nieding, Jeremy Cook: Ganztagsförderung für Grundschulkinder: Organisationsmodelle und Beschäftigungsbedingungen . Forschungsprojekt mit Förderung der Max-Träger-Stiftung in Kooperation mit GEW und AWO, Digitale Auftaktveranstaltung, 28.11.2023  Vortragsfolien

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Mehr Zeit für Kinder: Kommunale Strategien und Rahmenbedingungen. Kinderkommission, Stadt Dortmund, 16.11.2023  Vortragsfolien

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Mehr Zeit für Kinder: Kommunale Strategien und Rahmenbedingungen im Land. Bildungskongress – Städtetag Nordrhein-Westfalen, 16.11.2023  Vortragsfolien

Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey: Impuls: "Ganztag sind wir" - Offene Ganztagsschule gemeinsam gestalten. Fachtagung Offene Ganztagsschule, 31.10.2023  Vortragsfolien

Projektdaten

Laufzeit des Projektes
01.11.2023 - 30.06.2025

Forschungsabteilung
Bildung, Entwicklung, Soziale Teilhabe

Leitung:
Prof. Dr. Sybille Stöbe-Blossey

Bearbeitung:
Dr. Sirikit Krone, Iris Nieding, Chantal Mose

Finanzierung:
Max-Träger-Stiftung