„Schenken ist Kommunikation“

Warum beschenken wir uns eigentlich?

Die Antwort kennt Soziologe und Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Jo Reichertz.

„Wer bin ich? Wer ist der andere? Wie ist unsere Beziehung? Darum geht es beim Schenken. Unsere sozialen Beziehungen sind die Grundlage allen Schenkens. Ein Geschenk eröffnet eine soziale Beziehung, wird etwas zurückgegeben, entsteht eine Bindung, die gerade im Freundes- und Familienkreis extrem wichtig ist. Geschenke pflegen, erneuern und festigen Beziehungen.

Mache ich mir viele Gedanken, was ich wem warum schenke oder kaufe ich in der Parfümerie einfach den aktuellsten Duft, um ihn unter den Weihnachtsbaum zu legen? Das sagt viel über mich als Schenker oder Schenkerin aus. So leiste ich heutzutage auch Identitätsarbeit. Durch mein Geschenk drücke ich aus, wer ich bin – oder wer ich sein möchte. Wie großzügig bin ich, wie einfallsreich? Was wird der andere von mir denken? Was soll er von mir denken?

Die Struktur des Schenkens hat sich gewandelt. Heutzutage geht es nicht mehr um das praktische Geschenk, wie beispielsweise früher das SOS für die Männer, also Socken, Oberhemd und Schlips, sondern es muss etwas sein, das man sich selbst nicht unbedingt kauft, etwas Außergewöhnliches.

Historisch gesehen hatte das Schenken einen anderen Grund: beim Überleben zu helfen. Man schenkte nicht so viel und das, was man schenkte, half dabei, die Schwere des Lebens erträglicher zu machen oder das Überleben zu sichern. Bei Geburtstagsgeschenken ging es auch darum zu feiern, dass man das neue Lebensjahr überhaupt erreicht hatte. Die Geschenke sollten helfen, das nächste Jahr gut zu überstehen. Ähnliches galt sicherlich auch für Weihnachtsgeschenke. Heute hat sich allerdings der Charakter der Geschenke geändert. Heute schenkt man Dinge, die die meisten gar nicht wirklich (zum Überleben) brauchen. Heute sind Geschenke eher Sahnehäubchen.

Mein schönstes Geschenk habe ich zu meiner Emeritierung von meiner Frau bekommen: ein Schlagzeug. Ich habe mir keines gewünscht und wäre auch nie auf die Idee gekommen, aber als ich das Schlagzeug hatte, hat es mein Leben deutlich verändert. Ich habe mir einen Lehrer gesucht, der mich (bis heute noch) in die Geheimnisse des Schlagzeugspielens einweiht. Seitdem spiele ich jeden Tag.“