Vorgestellt: Katarzyna Jendrzey

Foto von Katarzyna Jendrzey während ihres Aufenthaltes in Australien
© Katarzyna Jendrzey

Vorgestellt: Katarzyna Jendrzey [März 2020]Von Forschung und Freiheit

Wie Migration in Kinderbüchern thematisiert und wahrgenommen wird, untersucht Katarzyna Jendrzey in ihrem Promotionsprojekt an der Universität Duisburg-Essen. Seit April 2018 forscht und promoviert sie in der Arbeitsgruppe Sozialisationsforschung (Fakultät für Bildungswissenschaften). Nun ist die Sozialwissenschaftlerin für vier Monate in Australien, um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern. Anschließend reist sie im Sommer zur ISA Konferenz nach Brasilien und wird dort ihr erstes Paper präsentieren.

Nach Abschluss ihres Masterstudiums an der FH Dortmund musste sich Katarzyna Jendrzey als wissenschaftliche Mitarbeiterin im akademischen Feld erst einmal orientieren: „Ich musste einen Habitus als Wissenschaftlerin entwickeln. Und Kontrolle abgeben.“ Heute sieht sie diese Erfahrungen als großen Gewinn. Im Spannungsfeld von Ungewissheit und Planung versucht sie seither bewusst, der wissenschaftlichen Neugier und Leidenschaft den Vorzug zu geben: „Ich klopfe an viele Türen und schaue, was passiert.“

Seit 2012 lebt die gebürtige Polin in Wuppertal. Nach ihrem Bachelor-Studium der Medienpädagogik an der Universität Oppeln entschied sich die damals 22-Jährige, für ein Master-Studium nach Deutschland zu gehen. Innerhalb von acht Monaten eignete sie sich in selbst finanzierten Sprachkursen die deutsche Sprache an – bis zum muttersprachlichen Niveau. „Am Anfang konnte ich kein Wort sprechen, heute bin ich verliebt in die deutsche Sprache“, sagt sie und lacht. Mit dem Studium klappte es auch: Zum Wintersemester 2013/2014 wurde sie an der FH Dortmund für den Studiengang „Jugend in Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit“ zugelassen. Um das Studium zu finanzieren, absolvierte sie es berufsbegleitend und sammelte bei verschiedenen Bildungsträgern in Essen und Wuppertal Erfahrungen als Sozialarbeiterin. „Ich habe dadurch ein tieferes Verständnis des deutschen Sozialsystems erlangt als es das Studium allein hätte bieten können.“

Schnell stand für Jendrzey fest, dass sie nach dem Studium wissenschaftlich arbeiten und forschen wollte. 2018 bewarb sie sich auf eine Elternzeitvertretung in der Arbeitsgruppe Sozialisationsforschung in der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen. Seitdem forscht sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin zu Sozialisationsprozessen, besonders im transnationalen Raum, und untersucht im Rahmen ihres Promotionsprojektes Migrationsdarstellungen in Kinderbüchern und deren Rezeption im Vergleich zwischen Deutschland und Polen. Eingebettet ist diese Fragestellung in die Kindheitsforschung, die Frage nach dem Aufwachsen unter verschiedenen Bedingungen und in die Analyse von Migrationskonzepten und -vorstellungen.

Am universitären Betrieb schätzt Katarzyna Jendrzey besonders die Lebendigkeit, die neuen Verbindungen, die sich durch ihre Forschungsarbeit ergeben, und die vielen Optionen, die ihr die wissenschaftliche Anstellung bietet. Gezielt nutzt sie beispielsweise vorhandene Förderangebote, um internationale Erfahrungen zu sammeln. Mit dem ERASMUS+ Programm ging sie für einen wissenschaftlichen Austausch nach Polen und ein PROMOS-Stipendium ermöglichte ihr einen fünfwöchigen Sprachkurs an der Queensland University of Technology in Australien.

Auch die Lehre hat für Jendrzey einen großen Stellenwert: „Vor meinem ersten Seminar hatte ich großen Respekt vor der Verantwortung, die ich als Vermittlerin habe.“ Mittlerweile ist sie in diese Rolle hineingewachsen und regt ihre Studierenden aktiv dazu an, gesellschaftliche Phänomene aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu untersuchen. „Besonders gerne beobachte ich Alltagssituationen und analysiere sie mit wissenschaftlichen Werkzeugen, um sie zu verstehen.“ Ihre Studierenden möchte sie dafür sensibilisieren, dass die subjektive Wahrnehmung durch viele verschiedene Faktoren geprägt wird: „Je nachdem, durch welche ‚Brille‘ man eine Situation beobachtet, sieht man etwas anderes.“

Eine Sache gibt es dann aber doch, die Jendrzey am aktuellen Wissenschaftssystem stört: „In der Wissenschaftskommunikation findet derzeit eine zu starke Fokussierung auf das Selbstmarketing statt, damit meine ich eine Fokussierung auf die Person.“ Sie wünsche sich einen stärkeren Fokus auf die inhaltliche Arbeit von Wissenschaftler*innen, auf die Überzeugungskraft der Forschung: „Meine Arbeit soll für mich sprechen“. Gelegenheit hierzu bietet ihr die ISA (International Sociological Association) Konferenz in Brasilien, auf der sie im Sommer 2020 ihr erstes Paper präsentieren wird.

Doch zunächst geht es für einen viermonatigen Sprachkurs nach Australien. Katarzyna Jendrzey hofft, vor Ort durch ein Praktikum Einblicke in die australische Migrationspolitik und Kindheitsforschung zu erhalten. Ihr Tipp für zukünftige Promovierende: „Das persönliche Interesse am Thema ist am wichtigsten. Und es ist wichtig, auf Veränderungen flexibel zu reagieren.“ Das Wissenschaftssystem birgt für Nachwuchswissenschaftler*innen oft Unwägbarkeiten, Unsicherheiten und befristete Arbeitsverträge. Doch Katarzyna Jendrzey hat sich dafür entschieden, dies als Chance zu sehen: „Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, in einem anderen Bereich zu arbeiten. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, meinen Leidenschaften und Interessen durch die wissenschaftliche Arbeit nachgehen zu können.“

Das Interview für diesen Beitrag haben wir im Februar 2020 geführt.