Grußwort des Dekans Prof. Dr. Dirk Hartmann

Sehr geehrte Besucherinnen, sehr geehrte Besucher!

Die Geisteswissenschaften gehören seit dem 19. Jahrhundert zum traditionellen Fächerkanon der Universitäten. Der Ausdruck ‚Geist’ steht dabei im Gegensatz zum Begriff der Natur für die Gesamtheit der komplexen Manifestationen von Kultur – die Geisteswissenschaften lassen sich daher als spezifisch kulturreflexive Wissenschaften auffassen. Als solche erforschen sie Kultur sowohl in ihren gegenwärtigen als auch in ihren vergangenen Manifestationen. Dabei geht es zum einen darum, die vergangenen Manifestationen der Kultur als solche zu erforschen, zum anderen aber auch darum, das Gewordensein unserer Gegenwart durch Bezugnahme auf unsere Vergangenheit verständlich zu machen. In diesem Zusammenhang kommt den Geisteswissenschaften drittens die kritische Aufgabe zu, kulturelle Gegenwart und Vergangenheit an den normativen Selbstverständigungsdiskurs der Gesellschaft anzuschließen und die positiven wie negativen Aspekte kultureller Manifestationen auf wissenschaftlichem Niveau umfassend zu behandeln. So partizipieren die Geisteswissenschaften insgesamt am kulturellen Selbstverständigungsprozess der Gesellschaft in seiner gesamten Breite und Vielfalt. Aus dieser Vielfalt erwächst auch ihr spezifisches Forschungsprofil, welches durch methodische Pluralität sowie eine häufig individualisierte Forschungspraxis charakterisiert ist. Diese Eigenart geisteswissenschaftlicher Forschung gilt es heute gegen die Gefahr einer szientistischen Verengung auf ein disziplinfremdes monistisches Methodenideal ebenso zu verteidigen wie gegen eine ökonomistisch diktierte Verkürzung von Forschungsthemen, wodurch die zentrale Orientierungsfunktion aus dem Blick gerät, welche den Geisteswissenschaften in einer pluralen, modernen Lebenswirklichkeit zukommt.

Die Fakultät für Geisteswissenschaften der UDE ist eine der größten ihrer Art in Deutschland. Die Geisteswissenschaften sind in ihr nahezu in ihrer gesamten Breite studierbar und dabei untereinander frei kombinierbar. Aus letzterem lässt sich bereits die Besonderheit eines geisteswissenschaftlichen Studiums ersehen. Anders als Studiengänge an anderen Fakultäten zeichnen sich die geisteswissenschaftlichen Disziplinen dadurch aus, dass sie gerade auf keinen besonderen Beruf oder ein ganz spezifisches Tätigkeitsfeld vorbereiten. Im Gegensatz zu einer Ausbildung, die spezifische Kompetenzen für spezifische Berufsumfelder vermittelt, erwirbt die Studentin bzw. der Student der Geisteswissenschaften Bildung im umfassenden humboldtschen Sinne. Das geisteswissenschaftliche Studium vermittelt keine berufsspezifischen Kompetenzen, sondern die Fähigkeit, mit immer wieder neuen Problemen umgehen zu können, diese in ihrem Gewordensein und ihren potentiellen Folgen einschätzen sowie in adäquater Weise lösungsorientiert artikulieren zu können. Die Geisteswissenschaften sensibilisieren für das Erkennen und den Umgang mit komplexen sich stetig wandelnden Problemlagen. Gerade in diesen generellen, im besten Sinne unspezialisierten Fähigkeiten liegen Wert und Reiz eines geisteswissenschaftlichen Studiums. Entgegen dem weit verbreiteten Klischee machen dabei die hohe Flexibilität und schnelle Einarbeitungsfähigkeit in komplexe Probleme die Absolventinnen und Absolventen eines geisteswissenschaftlichen Studiengangs auch für die Wirtschaft und ihre sich dynamisch verändernden Arbeits- und Problemfelder attraktiv.

Nicht zuletzt aber befördert ein geisteswissenschaftliches Studium in besonderer Weise auch den eigenen (selbst-)kritischen Umgang mit Kultur. Die Beschäftigung mit geisteswissenschaftlichen Inhalten ist ein wichtiger Teil jenes Bildungswegs, der autonome, reflektierte und informierte Personen hervorbringt, die allein eine fortdauernd stabile demokratische und freiheitliche Verfassung ihres Gemeinwesens garantieren können.

Ich lade Sie herzlich dazu ein, sich auf den folgenden Seiten über die Lehr- und Forschungstätigkeit unserer Fakultät zu informieren.

Ihr

Dirk Hartmann
Dekan der Fakultät für Geisteswissenschaften