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Wie wir konsumieren, was uns animiert und manipuliert

Ich kaufe, also bin ich?

  • von Cathrin Becker
  • 12.07.2017

Oliver Büttner untersucht, wie wir konsumieren, was uns dabei animiert – und manipuliert.

Silbrig glänzt das Lochmuster, der Absatz ist schwindelerregend hoch. Ich klicke durch die Bilder und lese Bewertungen. Die Schuhe sehen chic aus. Aber tun sie das auch in natura? Wie gut kann ich damit laufen? Ich muss mir das noch einmal überlegen…

Silbrig glänzt das Lochmuster, der Absatz ist schwindelerregend hoch. Ich gehe ein paar Meter durch den Laden. Die Schuhe sind bequem. Zu meiner Hose könnte ich sie gleich anlassen. Andere Frauen schauen schon zu mir herüber. Ich nehme sie!

Dasselbe Paar Schuhe – unterschiedliche Entscheidungen. Warum lassen wir uns mal zum Kauf verführen und mal nicht? „Man kann sich das ein bisschen wie im Comic vorstellen. Teufel rechts, Engel links. Beide reden auf dich ein. Verlangen kämpft gegen Willenskraft“, so Wirtschaftspsychologie Professor Oliver Büttner. „Das ist sowohl online als auch offline so. Wie groß Willenskraft und Verlangen sind, hängt aber von der Person und der Situation ab.“

Impulsive Menschen lassen sich ablenken

Häufig wird die Entscheidung direkt im Laden getroffen. Spontankäufe im Einzelhandel machen zwischen 30 und 60 Prozent des Umsatzes aus. „Dinge kaufen wir, weil wir sie nutzen oder weil sie für uns von emotionaler und sozialer Bedeutung sind. Manchmal finden wir sie auch einfach nur schön.“ Für so manchen würde ein iPhone sicherlich alle diese Komponenten erfüllen. Impulsive Menschen lassen sich schon visuell stärker ablenken, sie nehmen mehr Produkte wahr. Je mehr dabei ihre Sinneseindrücke angesprochen werden, desto größer wird ihr Verlangen. Und sie schlagen zu.

„Online ist das anders. Ich kann nichts anfassen, riechen oder schmecken. Die sozialen Einflüsse sind auch schwächer, weil ich meist alleine auf den Bestellknopf drücke. Das alles kann vernünftige Entscheidungen erleichtern. Allerdings ist online die soziale Kontrolle niedriger, was wiederum exzessives Kaufverhalten begünstigen kann.“ Wenn ich erst einmal in den Schuhen gelaufen bin, sie angefasst und die Blicke der anderen auf mich gezogen habe, zücke ich schneller das Portmonee – und zahle häufig mit Karte. Eine weitere Erleichterung auf dem Weg zum Kauf. Bei Bargeld ist die Hemmschwelle höher.

Frauen shoppen, und Männer?

Wer kauft wie? An den Klischees ist durchaus was dran: Was für die Frauen Mode, Kosmetik und Schmuck ist, sind für Männer Autos, Technik und Baumarkt. „Sie“ neigt dazu, erlebnisorientierter und impulsiver einzukaufen. Der Bummel mit der Freundin war so schön, dann standen die silbernen Schuhe plötzlich dort… „Er“ ist eher ein aufgabenorientierter Käufer. Das Produkt steht im Vordergrund und nicht der Einkaufsprozess – dieser soll schnell abgeschlossen sein.

Beim Einkaufen gewinnt häufig das Verlangen. Kann ich meine Willenskraft trainieren? „Nehmen wir das Beispiel Supermarkt: Niemals hungrig, dafür aber immer mit Zettel und möglichst im selben Markt einkaufen gehen“, so Büttner. „Planen und sich vorbereiten hilft. Und bloß nicht müde und erschöpft Besorgungen machen, dann können wir uns weniger selbst kontrollieren.“

Den  Kunden per WLan verfolgen 

Supermärkte haben inzwischen längst die Anordnung der Waren und den Aufbau eines Marktes perfektioniert. Der Kunde bemerkt kaum, wie er bewusst durch die Gänge geführt und bei der Produktwahl durch Standort, Musik, Licht und Duft beeinflusst wird. Auch die Kameras in Werbebildschirmen sieht er nicht. Sie analysieren den Zuschauer – und zeigen zielgerichtet Spots. In vielen Filialen deutscher Supermärkte stehen schon solche Geräte. Rein technisch wäre es bereits möglich, einem Kunden anhand seiner eingeschalteten W-LAN-Funktion im Handy durch den Laden zu folgen.

Wo die Blicke des Käufers im Supermarkt hinwandern, testen Büttner und sein Team mit der Eye-Tracking-Methode. Eine spezielle Brille filmt die Pupillen der Kunden vor Ort. Im Labor werden weiteren Testpersonen Bilder von verschiedenen Produkten am PC gezeigt. Kleine Kameras zeichnen auch hier die Augenbewegung auf. „Wir wollen herausfinden, welche Rolle die visuelle und gedankliche Aufmerksamkeit bei der Kaufentscheidung spielen“, erklärt Büttner.

"Kaufen ist tnicht grundsätzlich etwas Schlechtes.“

Firmen und Händler kriegen uns auch auf anderen Wegen. „Angebote funktionieren sehr gut.“ Der 42-Jährige schließt sich da nicht aus. „Mich reizen Supermärkte wie im japanischen Viertel in Düsseldorf oder in Ländern wie  Italien. Die Produkte sind interessant, und es macht Spaß sich umzuschauen. Kaufen ist ja nicht grundsätzlich etwas Schlechtes.“

Man sollte jedoch möglichst achtsam dabei sein. Wenn Verkäufer plötzlich doch noch Rabatte ermöglichen, man etwas gratis dazu bekommt oder der Händler sehr entgegenkommend ist, tappt man geradewegs in die Kundenfalle. Und wer kennt das nicht: Das Hotel hat einen Spezialpreis, ist online nur noch einmal verfügbar, und gerade gucken es sich zwanzig weitere Personen an – da muss ich zugreifen. Büttner rät, dann aus der Situation rauszugehen und die verlockenden Signale auszublenden.

Soziale Normen beeinflussen, wie wir konsumieren

Wir wollen alle das Richtige tun, dazu gehören. Deshalb baut Manipulation auch auf soziale Normen. Ein Energieunternehmen deutet an, dass unsere Nachbarn weniger Strom verbrauchen – also reduzieren wir unseren Verbrauch. Hotels weisen darauf hin, dass siebzig Prozent der Gäste umweltbewusst sind und ihr Handtuch mehrfach benutzen, – da sind wir natürlich dabei. „Soziale Normen haben einen großen Einfluss auf unser Konsumverhalten. Wir orientieren uns an anderen, oft ohne dies zu merken“, erklärt Büttner.

Wird das so bleiben? Schon heute werden unsere Daten in Massen gesammelt, um uns spezifischer zu verführen. Klassische Werbekanäle wie Radio und Fernsehen konkurrieren mit Guerilla-Werbung und viralem Marketing. Heute schickt man sich YouTube-Videos und hört auf die Empfehlungen von Social-Media-Persönlichkeiten – die im Zweifel für ihre Tipps bezahlt werden.

Willenlose Kaufmaschinen?

„Durch Ansätze wie Big Data lassen sich bestimmte Verhaltensmuster oder Vorlieben identifizieren. Das kann eine genauere Ansprache der Konsumenten erleichtern“, so Büttner. „Doch Kaufentscheidungen hängen von mehreren Faktoren ab. Die Technik, die aus Konsumenten willenlose Kaufmaschinen macht, gibt es nicht. Hier gilt das alte Bonmot von Henry Ford: ‚Ich weiß, dass die Hälfte meiner Ausgaben für Werbung hinausgeworfenes Geld ist. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.’“

 

zur Person:
Professor Dr. Oliver Büttner (42) ist Experte für Konsumentenverhalten. Wie Marketing und Werbung uns beeinflussen, untersucht er unter anderem in seinem Eye-Tracking-Labor.

 

 

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