© Benjamin Friedhoff

Auch Binnenschiffe fahren mit Diesel – umrüsten müssen sie nicht

Alles ist im Fluss

  • von Cathrin Becker
  • 15.12.2017

Binnenschiffe stoßen einiges an Dreck aus. Warum noch viel Wasser den Rhein herunterfließt, bis sich alternative Antriebe durchsetzen, weiß Benjamin Friedhoff.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Kapitän. Ihr Schubschiff Merlin ist eines der größten auf dem Rhein und hoch ausgelastet. Mit 16.000 Tonnen Eisenerz und Kohle pendeln Sie zwischen Rotterdam und Duisburg. Gäbe es Sie nicht, würden 400 Eisenbahnwaggons diese Fracht transportieren oder 650 LKW damit über die Straße rollen – und das will im dichten Verkehr um Rotterdam wirklich niemand.

Stellen Sie sich vor, Ihre Familie lebt in Köln, Düssel­dorf oder Duisburg. Sie hat den Rhein vor der Tür, was schön ist, aber auch schön belastend. Binnenschiffe fahren mit ähnlichen, aber stärkeren Dieselmotoren als LKW. 96 Prozent der gesamten Emissionen der deutschen Binnenschifffahrt entstehen auf dem Rhein, er gleicht also einer Autobahn. Alleine auf dem Nieder­rhein fahren täglich 550 Fahrzeuge. Vom Kabinendampfer über das Tankmotorschiff bis hin zum Frachter ist alles dabei.

Alte Schiffe, alte Motoren
Pro Kilometer und Tonne Ladung stößt ein Schiff 33 Gramm CO₂ aus, hat das Umweltbundesamt berechnet. Das ist so viel wie ein Kleinwagen auf 300 Metern. Klingt erst mal nicht dramatisch. Zudem produzieren Binnenschiffe dreimal weniger CO₂ pro Tonne als LKW. Trotzdem kommt auf dem stark befahrenen Rhein einiges an Schadstoffbelastung zusammen. Denn die Schiffe und ihre Motoren sind alt. Da sie so gut wie nie kaputtgehen, fahren sie lange. 60 Jahre alte Schiffe und 20 Jahre alte Motoren sind nicht ungewöhnlich.

Was können Sie als Chef der Merlin machen? Einfach den dreckigen Dieselmotor mit Katalysator und Partikelfilter nachrüsten? „Theoretisch geht das, praktisch weniger. Denn viele alte Motoren sind nicht auf Abgasreinigung ausgelegt“, erklärt Benjamin Friedhoff vom Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme (DST). „Eine solche Anlage ist groß; sie sprengt womöglich den Maschinenraum, an Deck könnte sie dagegen die Durchfahrt unter Brücken behindern.“

Teure Einzellösung statt Standardmodul
Deswegen: Glück gehabt. Aller Umweltauflagen zum Trotz gilt für Ihre Merlin ein Bestandsschutz: Sie können, müssen Ihr Binnenschiff jedoch nicht umrüsten. „Die neuen Abgasnormen sind sehr streng und fortschrittlich, aber sie erfassen eben nur die 20 bis 30 Motoren im Jahr, die neu zugelassen werden. An den Gesamtemissionen ändert das also wenig“, so Friedhoff. „Und es ist anders als in der Autoindustrie: Es gibt kein Standardmodul, das auf die meisten Schiffe passt.“

Auch Ihr altes Schubschiff bräuchte demnach eine teure Einzellösung. Dabei wird auf den Wasserstraßen ohnehin nicht mehr so gut verdient wie früher. Den Motor aufrüsten oder gar eine neue Merlin kaufen – kommt für Sie aus ökonomischen Gründen nicht infrage.

E-Binnenschiff
Wenn doch die Anreize fehlen: Wie integriert man dann Innovationen und Verbesserungen in die Bestandsflotte, zum Beispiel elektrische oder Hybrid-Antriebe? Das fragt sich Friedhoffs Team gemeinsam mit Kolleg/­innen aus dem Zentrum für Brennstoffzellen­Technik sowie Partnern aus der Wirtschaft. Sie arbeiten gerade am NRW-Projekt ‚E-Binnenschiff‘.

Herauskommen soll ein Leitfaden, der etwa Ingenieurbüros bei der technischen Planung hilft. Auch ein interaktives Softwaretool ist vorgesehen. Es soll später eingesetzt werden, um ökologische und ökonomische Effekte zu bewerten. Außerdem sollen Reedereien, Betreiber und Kapitäne nachschauen können, ob ihr Schiff für eine Umrüstung geeignet ist.

„Wir wollen keinen neuen Antrieb oder eine Standardlösung präsentieren“, fasst Friedhoff zusammen. „Vielmehr möchten wir die Industrie motivieren, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten. Denn erst, wenn es technische Lösungen gibt, die massentauglich und bezahlbar sind, setzen die Betreiber auf alternative Antriebe.“

Infrastruktur für Ladestationen fehlt
Zwar werden heute schon Konzepte für Stromtankstellen erprobt, doch die Ladestation muss mehr Saft liefern, als würde ein PKW betankt werden. „Natürlich lässt sich eine Autofähre mit Batteriesystemen ausrüsten, aber an den meisten Fähranlegern ist es komplizierter, als man denkt, die Energie zur Batterie zu bekommen. Herausfordernd sind kurze Liegezeiten, große Schwankungen des Wasserstands und fehlende Infrastruktur. Wenn es am Anleger Strom für eine Laterne gibt, ist das schon viel.“

Weiter ist man bei Kabinenschiffen. Da Fluss­kreuzfahrten immer beliebter werden, sind sie nicht nur neuerer Bauart, sondern auch gleich so konstruiert, dass die gut zahlenden Passagiere weder durch Motorenlärm noch durch Gestank gestört werden. Die Schiffe sind teilelektrifiziert: Sie haben elektrische Fahrmotoren. Die Energie kommt über Generatorensätze, die flexibel auf dem Schiff verteilt sind. Sie können dank der elektrischen Energieübertragung einzeln an- und abgeschaltet werden.

Umweltfreundlich fahren – geht auch mit dem Schiff
Zurück zur Binnenschifffahrt: Wie umweltverträglich sie werden wird, liegt auch an Ihnen als Kapitän. Was Sie sofort tun können? Nicht mit leeren Containern oder nur teilbeladen unterwegs sein, lieber langsamer fahren, als zu lange anlegen. Ihre Motorisierung anpassen. Das heißt: Im flachen Wasser geruhsamer schippern als in Abschnitten mit mehr Tiefe. Wissen Sie natürlich alles – dann setzen Sie es doch einfach um!

Und vielleicht lassen Sie sich ja doch von Hybrid- oder Elektroantrieben überzeugen, wenn es die passenden und bezahlbaren Angebote gibt. Die Technik ist jedenfalls schon da.

Zur Person
Benjamin Friedhoff arbeitete schon als Student am DST; heute leitet der Schiffstechnik-Ingenieur (38) hier den Bereich Hydrodynamik. Er koordiniert u.a. das Projekt: Emissionsreduzierung durch Elektroantriebe in der kommerziellen Binnenschifffahrt.

 

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