Auf Winterexpedition

Auf Pol-Position

  • von Beate Kostka
  • 15.12.2017

Was bringt Mathematiker/innen dazu, mit einem Eisbrecher bis an den Südpol zu schippern? Ganz einfach: Pfannkucheneis.

Riesige Pfannkuchenberge verspeist der seefahrende Bär Petzi mit seinen Freunden, wenn sie ein Abenteuer überstanden haben. Ob sie schon am Südpol waren? Hier gibt es jedenfalls eine ganze Menge Pfannkucheneis. Erforscht haben es Dr. Fleurianne Bertrand und Marcel Moldenhauer auf einem südafrikanischen Eisbrecher.

„Es begann eigentlich ziemlich unspektakulär in einem Seminar“, blickt Fleurianne Bertrand zurück. „Wir hatten einen Gast aus Kapstadt, der uns das Besondere am Pfannkucheneis in der Antarktis schmackhaft machte.“ Und der Funke sprang über: Am südlichsten Zipfel von Afrika bestiegen sie und ihr Kollege mitten im Hochsommer das 100 Meter lange Forschungsschiff. Die S. A. Agulhas II sollte sie und eine interdisziplinäre Crew zu einer unvergesslichen Winterexpedition bringen.

Aufgerollter Rand
Das Pfannkuchen- oder Tellereis besteht aus kreisrunden 0,3 bis 3 Meter großen Eisstücken, die zusammen einen riesigen Teppich bilden. Zuvor müssen sich Eisnadeln zu Plättchen oder Klumpen verkleben, dem so genannten Eisschlamm. Eine Menge Wellen braucht es auch, damit die kleinen Schollen immer wieder aneinanderstoßen. Nur so bekommen sie ihren charakteristischen wulstigen Rand – wie leckere Pfannkuchen – und können innerhalb weniger Tage weite Wasserflächen bedecken.

„Genau das ist ein Glücksfall fürs Klima“, erklärt Marcel Moldenhauer. „Denn die schwimmenden Eisteller bieten der Atmosphäre und dem Wasser genug Platz, um sich zwischen der festen Eisschicht und dem offenen Ozean auszutauschen.“ Wie groß dieser Einfluss ist, konnte bislang noch nicht exakt bestimmt werden. Zunächst muss man nämlich die physikalischen und mechanischen Eigenschaften dieser hochbeweglichen Eisschicht kennen – ein Fall für die beiden Numeriker der UDE.

Einsatz total
Ihr Einsatz erforderte Mut: Nicht selten waren die Wellen 18 Meter hoch, aber der Zeitplan – nur anderthalb Tage – musste trotzdem strikt eingehalten werden. Also übten sie vorher jeden Handgriff. „Mit einem Korb fischten wir uns die Eisproben aus dem Polarmeer“, so Marcel Moldenhauer. Rasch muss­ten sie die Stücke dann vermessen und zuordnen. Um ans Innere zu gelangen, bohrten sie das Eis auf. Anschließend katalogisierten sie die Bohrkerne und lagerten sie kühl. Denn sie wurden später an Land noch gebraucht. Mit ihrer Hilfe können beispielsweise Härte, Dichte, Festigkeit, Elastizität oder die Schmelztemperatur bestimmt werden.

Gefährlich: Akkuwechsel
Auch bei den Polfahrern stellte sich Fräulein Smillas Gespür für Schnee ein: In einem Logbuch hielten sie fest, wie sich vor ihren Augen der Eis­zustand veränderte. Noch deutlicher zeigten es die Videoaufnahmen im Zeitraffer.

Die Kamera hatte dabei einiges auszuhalten. Die Kälte setzte dem Akku so zu, dass er oft gewechselt werden musste – und das bei Dunkelheit, hohem Wellengang und Minusgraden. Eine nervenzehrende Aktion, so Fleurianne Bertrand. „Ständig musste man mit Brechern rechnen, die Wände knackten gewaltig. Und selbst wenn es mal etwas ruhiger war, musste man sich trotzdem immer am Geländer festhalten.“

Screaming Sixties
Auch das gab es häufig: Vibrationen, die manchmal länger als zehn Sekunden dauerten, denn die Expedition führte vorbei an den berühmten ‚Roaring Forties‘, ‚Furious Fifties‘ und ‚Screaming Sixties‘ – diese Breitengrade sind legendär wegen ihres starken Wellengangs. Marcel Moldenhauer ist froh, „dass wir das vorher nicht wussten, sonst hätten wir es uns vielleicht noch anders überlegt.“

Expedition geglückt: Schiff und Crew sind wohlbehalten zurück. Für Fleurianne Bertrand und Marcel Moldenhauer hält das Pfannkucheneis noch immer zahlreiche Geheimnisse bereit. Vielleicht lassen sie sich auf dem nächsten Törn im Polarmeer lüften.

Mehr: Dem antarktischen Eis auf der Spur

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