© Frank Preuß

Pro und Contra

Soll man an der Uni auch seinen Glauben leben können?

  • 21.06.2018

An der UDE wird nicht nur gelehrt, gelernt und gearbeitet. Man trifft sich bei Kultur, Sport oder im Café. Wir wollen wissen: Soll man an der Uni auch seinen Glauben leben können?
AStA-Vorsitzende Carlotta Kühnemann und Prof. Markus Tiwald sind unterschiedlicher Meinung.

NEIN, sagt Carlotta Kühnemann
„Die Universität müsste also auch der Ort sein, an dem nichts außer Frage steht.“ (Derrida, die Unbedingte Universität: 14*). Demnach sollten Glaubenssätze und religiöse Praktiken an der Universität kritisch hinterfragt statt manifestiert werden.

Ich finde: Um sich diesem Ideal anzunähern, darf Bildung nicht mit religiösem Glauben vermischt werden. Das heißt: Bereits in der Schule sollte es einen neutralen Ethikunterricht geben. So würden alle gemeinsam über die verschiedenen Glaubensausübungen informiert, auch ethische Fragen könnten besprochen werden. Es würde eine Bildung ohne die Vorgabe eines bestimmten Glaubens vermittelt werden.

Und dieses Konzept soll die Universität fortsetzen. Denn sie ist Raum für Lehre und Forschung und somit der Aufklärung verpflichtet. Natürlich bilden die Religionswissenschaften einen Teil der Forschung ab, der Campus ist aber nicht Ort der Glaubensausübung.

Außerdem: Die Normen und Werte sowie die Weltanschauung, die die jeweilige Religion vermittelt, können im Konflikt zu den wissenschaftlichen Werten der Uni stehen. Denn Studierende und Wissenschaftler*innen müssen sich in der Forschung und Lehre von ihrem Glauben distanzieren. Welcher Religion sie angehören, sollte im universitären Alltag keine Rolle spielen; die Uni muss ein neutraler Ort bleiben.

Studierende verbringen Teile ihrer Freizeit am Campus. Sie nehmen am Hochschulsport teil oder engagieren sich verschiedentlich. Dazu zählen religiöse Hochschulgruppen. Dass es sie gibt, ist völlig in Ordnung. Ich finde es allerdings wichtig, dass es die Möglichkeit zu einer offenen, aber respektvollen Debatte zwischen den Gruppierungen gibt. Nur so können wir in einer pluralistischen Gesellschaft voneinander lernen.

Gehört die Auslebung des Glaubens zum Campus? Die Debatte darüber auf jeden Fall. Es tatsächlich zu tun, liegt hingegen im Privaten.

*Quelle: Derrida, J. (2016), Die unbedingte Universität. 6. Auflage: Suhrkamp.

Carlotta Kühnemann (22) studiert Soziologie im 4. Semester. Sie ist Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses.


JA, sagt Prof. Markus Tiwald

Als katholischer Theologe finde ich, dass der Islam zu Deutschland gehört. Gott sei Dank – denn das bringt Vielfalt und Leben in unsere Kultur. Zu Deutschland gehören meint aber auch: in den kulturellen Diskurs unseres Landes eintreten.

Auch die katholische Kirche hat sich nicht immer leicht getan, ihren Glauben diskursiv statt doktrinär zu leben. Aufklärung, Kulturkampf und Säkularisierung haben die Entwicklung zu Toleranz befördert. Als Folge der Abkommen zwischen Kirche und Staat wird an unserer Universität zu konfessionellem Religionsunterricht ausgebildet.

Das ist gut so, denn es wäre schade, wenn sich der Staat seiner Aufgabe entledigen würde, hierfür ein Gütesiegel zu vergeben. Auf einen rein konfessionellen Religionsunterricht zu verzichten, würde obendrein an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorübergehen; denn gerade der Glaube prägt die Gesellschaft – in Deutschland seit jeher, aber auch für die von uns aufgenommenen Migrant*innen.

Diesen Glauben mit kritischer Reflexion und Verantwortung zu erfüllen – darin besteht der Reiz. Universitäten können hier als Kulturmittler wirken. Dabei geht es jedoch nicht nur um theoretisch-abstraktes Forschen über Religionen, sondern um Gesellschaftsgestaltung durch eine humanitär und wissenschaftlich reflektierte Religion. Universitäten wirken so als Bindeglied zwischen dem religionsneutralen Staat und den Glaubensgemeinschaften.

Gerade hier kann erlernt werden, unterschiedliche Überzeugungen respektvoll auszuhalten. Ein Verleugnen der Religion würde den Gordischen Knoten nicht lösen, sondern zerschlagen: Die Verdrängung religiöser Inhalte wird weder der Freiheit des Menschen noch der Wahrnehmung pluraler Kulturen gerecht (an der UDE studieren 130 Nationen). Religion soll dabei als menschliches Existenzial erkannt werden, das man unterschiedlich ausformen kann – bis hin zum Atheismus, der ja auch eine Weltanschauung ist.

Wie man Religion in einer pluralen Gesellschaft tolerant und sinnstiftend definiert, könnte an unseren Universitäten beispielhaft für die Gesellschaft erschlossen werden.

Dr. Markus Tiwald (Jg. 1966) ist Professor für Biblische Theologie und ihre Didaktik mit dem Schwerpunkt Neues Testament.

 

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