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Rausch der Hormone

Jede Zelle unseres Körpers ist glücklich...

  • von Ulrike Bohnsack
  • 13.12.2018

Liebe beginnt im Gehirn. Dort wird ein biochemischer Cocktail gemixt, der uns bis zu den Zehen flasht.

Ob wir verknallt sind oder der Sturm der Gefühle später einer tiefen Verbundenheit weicht: Regisseure der Liebe sind die Hormone. Sie spielen mit anderen Boten- und Signalstoffen zusammen und entstehen im Kopf. In diesem setzen Schaltkreise wie beispielsweise das Belohnungszentrum eine Reihe von Prozessen in Gang.

„Was im Körper passiert, wenn wir lieben, ist ein so komplexer Prozess. Er gibt der Wissenschaft noch viele Rätsel auf“, schickt Professorin Dr. Dagmar Führer-Sakel vorweg. Bekannt ist: Die biochemischen Abläufe bei Männern und Frauen sind nicht gleich; außerdem rauscht je nach Stadium der Beziehung ein anderer Hormoncocktail durch die Blutbahn, und es sind verschiedene Hirnareale beteiligt.

Drei Liebesphasen
Man unterscheidet drei Phasen: Die erste ist das Verliebtsein, die zweite die leidenschaftliche Liebe und die dritte die kameradschaftliche. Die Stoffwechselexpertin sagt: „In der oft nur wenige Wochen dauernden Phase eins ist der Körper im Ausnahmezustand. Er produziert das aufputschende Adrenalin und das Glückshormon Dopamin. Durch letzteres fühlen sich die Schmetterlinge im Bauch wie eine Belohnung an, und es fördert, dass man sich monogam verhält. Auch das Stresshormon Cortisol wird vermehrt von der Nebenniere ausgestoßen – was erklärt, warum man völlig aufgekratzt und ‚durch den Wind’ ist.“

Dass man sich krank vor Liebe fühlt, immerzu an den Traumpartner denken muss und sogar Verlustängste hat, liegt am Serotonin. Es ist ebenfalls ein Glücklichmacher, nur ist sein Pegel jetzt niedrig – wie bei Menschen mit Zwangsstörungen.

„Interessant ist auch dies: Die Testosteronspiegel von Mann und Frau nähern sich an“, sagt Führer-Sakel. „Bei ihm sinkt das Lusthormon, so dass er sich auf eine Person fixiert, während es bei ihr mehr wird und ihre Libido steigert.“

Kuschelhormon und Treuehormon
Viele weitere Botenstoffe und Neurotransmitter, die Erregung von einer Nervenzelle zur anderen tragen, sind im kurzen Rausch der Verliebtheit aktiv. Für das, was danach kommt, nämlich die Liebe in Phase zwei, sind aber diese beiden ganz entscheidend: das Kuschelhormon Oxytocin und das Treuehormon Vasopressin. Sie geben nicht nur Nervenimpulse an die erogenen Zonen weiter und werden bei und nach dem Sex ausgeschüttet, sondern sie beeinflussen unser soziales Verhalten und bestimmen, ob man sich überhaupt fest an jemand bindet.

„Das Vasopressin hat viele Funktionen“, beschreibt die Endokrinologin. „Es reguliert den Wasserhaushalt und die Gefäße. Aber es steuert auch die positiven wie negativen Emotionen. Das Oxytocin dagegen spielt bei den Geburtswehen und beim Milcheinschuss fürs Baby eine Rolle. Außerdem wird es bei Zärtlichkeiten und wohligen Gefühlen ausgeschüttet.“

Mit einem kleinen Unterschied, fügt die Medizinerin an: „Wenn Liebe für eine Person im Gehirn verankert wird, ist bei der Frau das Kuschelhormon stärker, während beim Mann eher das Treuehormon beeinflusst, auf wen er sich einlässt.“

Ewig auf Wolke 7?
Beide Substanzen werden im Hypothalamus gebildet, der so wichtige Überlebensfunktionen wie Hunger, Schlafen, Sexualität steuert. Auch wirken Vasopressin und Oxytocin an vielen Prozessen des Belohnungssystems mit. Dazu gehört, dass sie die Stress-Systeme ruhigstellen. Denn ewig auf Wolke 7 zu schweben, hält der Körper nicht aus. Im leidenschaftlichen zweiten Stadium pendeln sich folglich Serotonin und Cortisol wieder auf normale Werte ein.

Ähnlich verhält es sich in der kumpelhaften dritten Stufe. Für den vertrauten, geborgenen Zustand statt hormoneller Achterbahnfahrt sorgen wiederum Oxytocin und Vasopressin. Dieses Stadium ist wenig erforscht, wohl auch, weil nicht alle Beziehungen so lange halten.

Einige Hirnregionen werden runtergefahren
In den verschiedenen Liebesphasen wechseln die beteiligten Hirnareale. Hat Amors Pfeil getroffen, sind neben dem Hypothalamus aktiv: der vordere cinguläre Cortex – er hilft, die eigenen Emotionen sowie die von anderen zu erkennen –, der Insellappen, der Sinneseindrücke verarbeitet, das die Motorik steuernde Striatum und der Hippocampus. Er ist für Gedächtnis und Lernen zuständig. All diese Zentren spielen eine wichtige Rolle in unserem Belohnungssystem.

Andere Regionen im Hirn werden dagegen runtergefahren, etwa in der Amygdala – sie ist im Spiel, wenn Angst und Wut auftauchen – oder im Frontalhirn, in dem u.a. negative Gefühle und das Urteilsvermögen verankert sind. „Das würde erklären, warum man unvorsichtiger oder buchstäblich vor Liebe blind wird.“

Broken-Heart-Syndrom
Wenn das Glück zerbricht, tut’s richtig weh. Kann man an Liebeskummer sterben? „Ja“, sagt die Professorin. „Man nennt das Broken-Heart- oder Takotsubo-Syndrom. Es kommt sehr selten und hauptsächlich bei Frauen vor. Die so genannten Katecholamine, das sind Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin, werden massiv freigesetzt und lassen die Gefäße im Herzmuskel verkrampfen. Die Symptome sind dann wie bei einem Herzinfarkt.“

Da wäre doch ein Liebestrank toll, der Gefühle künstlich erzeugen könnte. „Wenn das so einfach wäre...“, lacht Dagmar Führer-Sakel. „Wie sollte der Cocktail aussehen? Jeder Mensch ist genetisch anders ausgestattet. Darüber hinaus spielt für unser späteres Verhalten eine Rolle, was wir in der frühen Kindheit erleben. Man müsste also die individuelle Dosierung der Hormone kennen und sie im Gehirn in die richtigen Schaltzentralen bringen, damit sie die gewünschte Wirkung entfalten. Das ist nach jetzigem Forschungsstand nicht machbar.“

Überhaupt sind viele Fragen noch unbeantwortet: Warum verguckt man sich ausgerechnet in diese Person und nicht in jene? Wie stark beeinflussen Psyche und soziales Verhalten unsere Entscheidungen? Und sind wir Menschen tatsächlich monogam? „Bei der Liebe“, so die Forscherin, „kennen wir erst ein Mini-Teil von einem riesigen Puzzle.“


Zur Person:
Professorin Dagmar Führer Sakel (49) leitet die Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel am Uniklinikum Essen. Außerdem ist sie Prorektorin für Forschung, wissenschaftlichen Nachwuchs und Wissenstransfer an der UDE.

 

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