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Gute Frage:

Haben Pflanzen ein Liebesleben?

  • von Ulrike Bohnsack
  • 13.12.2018

Natürlich! Ein exzessives sogar, wenn auch ohne Gefühle, sagt Hardy Pfanz. Sie besitzen ja weder Nervensystem noch Gehirn oder gar eine Seele.

Wir sprechen hier aber nicht über Moose oder Farne, sondern nur über höhere Pflanzen, betont der Botanik-Professor. Von diesen haben die meisten eine zwittrige Blüte, und darin sind die Geschlechtsorgane: Der Stempel mit Narbe, Griffel und dem Fruchtknoten, in dem sich die Eizellen befinden, ist weiblich; die Staubfäden mit den Pollen sind männlich. Alles wird schön sichtbar in die Luft gestreckt, um Bestäuber anzulocken. Denn bis auf wenige Ausnahmen kann sich keine Blüte selbst befruchten. Nur fremdem Pollen gelingt es, dass durch die Bestäubung (und nachfolgend die Befruchtung) der Samen mit dem pflanzlichen Embryo entsteht. So bleibt die Art gesund.

Es braucht folglich einen Vektor, einen Überträger: Wind, Wasser oder – sehr häufig – Insekten, Vögel und sogar Schnecken. Während die Tiere sich am energiereichen Nektar laben, werden sie eingepudert und nehmen den Blütenstaub dann ungewollt mit.

Blümchensex
Anschaulich erzählt Pfanz, wie trickreich die Natur den Blümchensex eingerichtet hat: Weil Pflanzen keinen Sexualtrieb haben, nutzen sie den von Tieren. Einige Exemplare verstehen sich bestens auf Täuschung. Die Ragwurz-Arten beispielsweise, deren Blüten Insekten nachahmen. So sieht die Blüte einer dieser Gewächse aus wie ein pummeliges Bienenweibchen. Dass es nicht echt ist, erkennt das Bienenmännchen im Liebesrausch nicht. Es kopuliert mit der Attrappe, bekommt vom Ragwurz zwei Hörner aufgesetzt, in denen sich der Pollen befindet, und fliegt damit zum nächsten Imitat.

Andere Pflanzen verströmen einen betörenden Geruch, um Insekten anzulocken. Wohlriechende Veilchen oder Flieder machen das so. Aber auch der Aronstab oder der Weißdorn. Ihre Blüten stinken allerdings nach verfaultem Fleisch, was Aasfliegen und bestimmte Käfer anzieht.

Auffallen ist wichtig
Ebenso funktioniert es über die Optik. Farbe und auffällige Muster signalisieren: Hier ist was zu holen. Hält man eine hübsche Blüte unters UV-Licht (dieses nehmen viele Insekten wahr), erkennt man ein regelrechtes System an Einflugschneisen, die dem Transporteur den Weg weisen zu Pollen und Nektar, sagt der Experte.

Das pflanzliche Liebesleben ist unerschöpflich, denn nicht jedes Gewächs muss wirklich blühen, um sich fortzupflanzen. Vegetativ können sich etwa auch Erdbeere bzw. Fingerkraut (Ausläufer), Brutblatt (Adventivsprosse an den Blättern) oder Tulpen (Jungzwiebeln) vermehren. Ihre Ableger enthalten dann aber nur das Erbgut der Mutterpflanzen, sie sind also Klone. Was heißt: Es geht auch ganz ohne Sex.

im Bild:
Tut so, als ob: der Bienen-Ragwurz.

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