Florian Ziel mit Tochter und Mirco Steffens mit Sohn
© privat

Elternzeit von Vätern

Mehr als Mamas Helfer

  • von Cathrin Becker
  • 16.12.2020

Auszeiten von Vätern sind herausfordernd – sowohl für sie selbst als auch für die Uni. Zum Glück gibt‘s da eine gute Adresse.     

To do:

  • für die Kinder da sein
  • ein fürsorglicher Partner sein
  • im Job gut sein
  • regelmäßig Sport machen
  • mit Freunden treffen

Diese Liste muss von einer Frau sein – denken Sie. Denn: die Ansprüche hoch, die Zeit knapp, die Unterstützung zu wenig. Das ist das Los ­vieler Mütter. Bis es nicht mehr geht und Hilfe hermuss.

Nur Helfer seiner Frau wollte Dr. Stefan Zöllner nicht sein. Es ist seine Liste. Der Assistenzarzt in der Kinderheilkunde III am Uniklinikum Essen (UK) wollte viel übernehmen und hat schnell gemerkt: Alles geht nicht. „Ich musste lernen, die eigenen Ansprüche oft nicht erfüllen zu können. Nach der Geburt meiner beiden wundervollen Jungs und der Elternzeit habe ich mich nach meinem Wechsel ans UK Essen entschieden, meine Stundenzahl zu reduzieren.“

Das bedeutet: Weniger Geld, aber auch mehr Zeit für die Kinder und für seine Frau mehr Luft, als Selbstständige zu arbeiten. „Aber ohne ihre Flexibilität und das Verständnis meiner Chefs würde das nicht laufen. Job und Familie ist und bleibt ein langer Tanz.“

Damit er nicht zum Eiertanz wird, engagiert sich Zöllner am UK Essen als Väterbeauftragter für das wissenschaftliche Personal. Drei weitere Kollegen sind Ansprechpartner für Pfleger und die Mitarbeiter in Technik und Verwaltung. „Wir waren die Ersten nach der Charité, die vor zehn Jahren Väterbeauftragte ernannt haben als Reaktion auf das veränderte Rollbild in der Partnerschaft “, erklärt Sandra Warren von der Gleichstellung. Zwar nehmen häufiger Mitarbeiterinnen Elternzeit, aber immer mehr Väter wollen das inzwischen auch.

„Alle, mit denen ich zu tun habe, übernehmen zuhause die Hälfte der Betreuung“, sagt Anglistikprofessor Frank Pointner. „Leider haben aber Väter meist keine Lobby, da in der freien Wirtschaft immer noch die traditionellen Rollenbilder dominieren.“ Elternzeit zu nehmen, kam ihm zunächst auch nicht in den Sinn. „Ich konnte mir 50 Jahre meines Lebens nicht vorstellen, was es heißt, Vater zu sein. Man unterschätzt das, wenn man es nicht erlebt.“ Inzwischen hat er zwei Söhne und ist seit 2018 der erste Väterbeauftragte an der UDE.

Die Fragen und Herausforderungen, bei denen er helfen will, ähneln denen von Stefan Zöllner. Nach Elterngeld wird viel gefragt, nach Beratung im Antragsdschungel, Elternzeit und Kinderbetreuung. Das Väterportal wird gerade aus­gebaut, Infos werden regelmäßig rundgemailt, Sprechstunden sollen dazukommen. Ein gemeinsames Programm der Gleichstellungsbüros steht schon, neue Projekte sind in Planung. Normalerweise kommen rund 20 Väter zum Frühstückstreffen der DU-E-KIDS, das ist die Kindertagespflege der Uni, oder sie machen ­gemeinsame Ausflüge: ganz klassisch zu Polizei und Feuerwehr, wie es Kinder lieben.

Die engagierten Väter stellen Uni und Klinikum vor ungeahnte Probleme: Jetzt sind es nicht mehr nur die Frauen, für die man Ersatz braucht, ­sondern auch noch die Männer. Wie lässt sich ihre (recht kurze) Elternzeit überbrücken? Wie mit dem vergleichsweise plötz­lichen Ausfall von Wissen und Arbeitskraft ­umgehen? Wer springt stellvertretend in Forschungsprojekten ein? Ist Ansprechpartner für Promovierende und ­Studierende? Ja, all das muss geregelt werden.

Doch die neuen Väter wollen für ihre Kinder da sein und ihre Partnerinnen unterstützen, weiter zu arbeiten. Gemeinsam möchte man daher Vorschläge entwickeln, „damit Elternzeit bei Vätern und Vorgesetzten akzeptierter, aber auch besser durchführbar wird“, so Zöllner.

Auch Frank Pointner sieht noch viel Arbeit vor sich, wenn auch noch keine richtige Lösung. „Ich kann Job und Familie einigermaßen gut vereinbaren. Mein Respekt gilt den Kollegen, die noch eine Doktorarbeit oder Habilitationsschrift verfassen müssen oder auf einer befris­teten Qualifikationsstelle sitzen.“

So wie Dr. Florian Ziel. Der 31-jährige Juniorprofessor für Umweltökonomik ist vor einigen Monaten zum zweiten Mal Vater geworden. Wie man Elternzeit und Wissenschaft kombiniert, weiß er schon durch die Geburt seiner Tochter vor zwei Jahren. Angesprochen auf die Elternzeit, merkt man ihm sein Hadern an: Einerseits für die Familie da sein, anderseits seine Mitarbeiter*innen und die Studierenden nicht alleine lassen wollen – auch er muss tänzeln. Zumal der mehrfach ausgezeichnete Forscher eine befristete Professur hat.

Seine Frau und er teilten sich die Auszeit fürs erste Baby. „Mindestens ein halbes Jahr wollte ich Pause machen, das war mir wichtig.“ Ein Forschungsaufenthalt in Cambridge kam dazwischen. Am Ende wurden es fünf Monate, in zehn Prozent Teilzeit. „Das waren vier Stunden die Woche, in denen ich Mails geschrieben und meine beiden Doktoranden betreut habe; Lehre war gar nicht drin.“ Seine Tochter nahm Ziel einmal wöchentlich mit an die Uni. Sprach er mit dem einen Doktoranden, passte der andere auf sie auf. Anschließend gingen alle zusammen in die Mensa. „Das war die beste Lösung in der Situation.“ Mit seinem Sohn will er es genauso machen – auch wenn es wegen der Semester­zeiten schwieriger sein wird, einen Kompromiss mit seiner Fakultät zu finden.

Sich im Wissenschaftsbetrieb mit Familie durchbeißen muss Mirco Steffens nicht. Als ­Referent des Rektors hat er seinen Platz schon gefunden. Einfacher macht das die Vereinbarung von Kind und Job aber auch nicht, wie ­Väterbeauftragter Pointner meint: „Wir wissen um das Hauptproblem, dass die Arbeitszeiten der Tarifbeschäftigten relativ unflexibel sind.“

Steffens hat jedoch gute Erfahrungen gemacht. „Zum Glück. Schaue ich mich im Freundes- und Bekanntenkreis um, gehöre ich zu denjenigen mit vergleichsweise großen Freiräumen. Ich würde mich natürlich über mehr Planbarkeit freuen, aber das bleibt in meinem Bereich natur­gemäß Wunschdenken.“

Seinen „Flickenteppich“ aus insgesamt vier ­Monaten Elternzeit für seinen Sohn, verteilt über ein Jahr, haben die Kolleg*innen gut aufgefangen; aber auch hier würde es ohne ihre Hilfe und das Verständnis seiner Vorgesetzten nicht gehen. „Ich denke, dass wir – bei allen ­unbestrittenen Fortschritten – gesellschaftlich noch immer nicht so weit sind, dass die Väterrolle bei Männern genauso selbstverständlich mitgedacht wird wie die Mütterrolle bei Frauen.“ Von einem Väterbeauftragten wünsche er sich, dass er dies thematisiere und kontinuierlich hinterfrage.

Steffens und Ziel kennen die Angebote für Väter der Uni, nutzen sie jedoch kaum. Warum nicht? Keine Zeit, anderer Wohnort, der private ­Austausch mit Familie und Freunden ist ein­facher ... Netzwerker sind die neuen Väter also noch nicht, doch Zöllner und Pointner sind dran. Sie wollen ihre Angebote sichtbarer machen, noch mehr auf die verschiedenen Fragen und Bedürfnisse der Beschäftigungsgruppen eingehen, Väter zusammenbringen und selbst die Vereinbarkeit vorleben. Denn beiden ist klar: Will man gute Mitarbeiter binden, muss man sie auch als Väter sehen.

Im Bild: Florian Ziel mit seiner Tochter und Mirco Steffens mit seinem Sohn.

Mehr Informationen:
udue.de/vaeterarbeit
www.uk-essen.de/vereinbarkeitberufundfamilie/eltern-werden/vaeterportal

Das Bundesfamilienministerium hat vor zwei Jahren einen Väterreport veröffentlicht:
https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/vaeterreport/112722

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