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Ausgabe 1/2016 - Themenschwerpunkt: Alles in Bewegung

Durchschaut: Digitale Fingerabdrücke und Big Data

  • von Ulrike Bohnsack
  • 29.04.2016

Kaum jemand möchte heute aufs Internet oder Smartphone verzichten. Und nimmt damit in Kauf, dass jede Bewegung registriert wird. Ein Gespräch mit Professor Dr. Torben Weis über digitale Fingerabdrücke und Big Data.

Campus:Report: 2,5 Millionen Terabyte Datenspuren, heißt es, werden täglich erzeugt. Was finden Sie gefährlicher: die Datensammler oder die sorglosen Nutzer?

Torben Weis: Die Datensammler sind das Problem. Sie nötigen einen zu akzeptieren, dass Informationen gespeichert werden: ob man surft, googelt, online einkauft, chattet oder mailt. Der sorgenvolle Nutzer hat keine Chance, das zu verhindern.

Was wird heute an Daten gesammelt?

Alles – beispielweise Suchanfragen, IP-Adresse, Browsertyp und -verläufe, Datum und Uhrzeit. Chats und Mails werden protokolliert. Es werden Präferenzen festgestellt, Muster erkannt und Zusammenhänge geknüpft. Es gibt nichts, was sich nicht über Korrelationen herausfinden ließe, auch wenn Sie es nicht direkt preisgegeben haben: sei es, wo Sie wohnen, welches Auto Sie fahren, was Sie gerne mögen… Wenn Sie nicht bei Facebook sind, sind es Ihre Freunde, und es ist anzunehmen, dass Sie ähnliche Interessen haben. Werbung funktioniert am besten, wenn man die Person kennt. Deswegen ist Datenhandel ein riesiges Geschäft.

Ich will nicht gläsern sein und fühle mich doch hilflos…

Was wollen Sie machen? Wie wollen Sie das sonst alles bezahlen, was Sie kostenlos übers Netz abrufen? Wäre Ihnen jeder Abruf einen Cent wert? Selbst wenn, solche Mikrotransaktionen sind mit den gängigen Zahlungsmitteln nicht umsetzbar, viele Dienste wie Google würden auch gar nicht funktionieren. Und um es auch mal positiv zu sehen: Die Maschinen lernen mit allem, was wir tun. Die ganze Intelligenz in den Computern heute wäre nicht denkbar ohne die Analyse von Nutzerdaten.

Viele Webseiten weisen darauf hin, dass sie Cookies verwenden. Das geht auf eine EU-Richtlinie zurück. Ist sie sinnvoll?

Nein, absolut überflüssig. Cookies sind das kleinere Problem. Es gibt ja viel bessere Möglichkeiten, etwas über den User einer Seite herauszufinden: über die Tastatureingaben, Mausbewegungen, über den Ladezustand oder das Bewegungsprofil des Handys. Jede Information hilft, die Korrelation zu verbessern. Am schlimmsten ist aber der Browser-Fingerprint, den werden Sie nicht los.

Wie schützen Sie denn Ihre Identität?

Das Beste ist, über das Tor-Netzwerk anonym zu surfen. Es verschleiert die IP-Adresse, indem es über mehrere Server eine Verbindung aufbaut. Unangreifbar ist auch das aber nicht.

Unser Alltag wird immer vernetzter. Brauchen wir wirklich Dinge wie den intelligenten Kühlschrank?

Oder den WLAN-fähigen Backofen, der mir übers Handy mitteilt, wenn die Pizza fertig ist… So was ist Spielerei und wird sich im Privatgebrauch nicht durchsetzen. Für die Smart-Home-Technik braucht man eine entsprechende Infrastruktur; doch wer gibt hierfür schon 10.000 Euro aus? Viel spannender ist das für Firmen; die Smart Factory wird kommen, weil sich damit viel Geld sparen lässt. Etwa in der Fertigung – oder in der Logistik. Mit dieser Technik kann ein Container, der im Hafen unauffindbar ist, geortet werden.

Bald können wir uns virtuell noch ganz anders bewegen. Sind Datenbrillen genial?

Die Gamer sind jedenfalls begeistert. Es ist ein riesiger Markt. Und ja, 3D-Datenbrillen werden die Arbeitswelt verändern, da bin ich mir sicher. Sie erleichtern komplizierte Prozesse, etwa Wartungs- und Reparaturarbeiten.

Ist dieses Szenario übertrieben: Irgendwann entscheiden künstliche Intelligenzen in Verwaltungen und Firmen und nicht mehr Sachbearbeiter.

Das ist doch schon der Fall! Schauen Sie auf die Banken und Versicherungen: Sie bewerten über Algorithmen, ob jemand kreditwürdig oder ein Risiko ist. Gefährlich sind Monopole – wenn kein Wettbewerber mehr in den Markt einsteigen kann, weil die Macht bei einem Konzern liegt. Das Datenmonopol gibt es schon: Wer will jetzt noch eine Suchmaschine schreiben? Es heißt übrigens, Google verkaufe demnächst auch Versicherungen.

Dr. Torben Weis (42) ist Professor für Verteilte Systeme. Der Informatiker forscht u.a. zu Privatheit und Sicherheit in Rechnernetzen und dem digitalen Verkauf von Finanzprodukten. Mit ihm sprach Ulrike Bohnsack.

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