© Nola Bunke

Wie Marcelo da Veiga eine Hochschule aufbaut

Nicht auf kurzsichtige Menschen hören.

  • von Katrin Koster
  • 14.12.2016

Alumni-Serie | Wie Marcelo da Veiga eine Hochschule aufbaut

CAMPUS:REPORT
Herr da Veiga, wie wird man eigentlich Rektor einer Kunsthochschule?

MARCELO DA VEIGA:
Sowas ergibt sich und man muss es wollen, es gibt ja keinen Kurs „Rektor werden“. Ich lehrte zunächst in Brasilien an einer Uni und betreute später Bildungs­projekte bei der Software AG-Stiftung. Sie beauftragte mich, meine Erfahrungen in den Aufbau der neuen Kunsthochschule einzubringen. Als uns dies gelang, war ich mit ihr bereits eng verbunden und wurde vom Senat zum Gründungsrektor gewählt.

Das war sicher kein Spaziergang. 
Mitnichten – vor allem der Anfang war sehr dicht. Da ging es mir wie einem Manager, der alle fünf Minuten etwas anderes entscheiden muss. Inzwischen haben wir fast 70 Professoren, etwa 1.500 Studierende, die Zahl der Beschäftigten ist von 12 auf über 250 gewachsen. Meine Wochenenden gehören weitest­gehend wieder mir.

Hat Ihr Studium Sie auf solche Anforderungen vorbereitet? 
Nein, das war natürlich ein Praxisschock. Allerdings ist mir vieles aus dem Studium zugutegekommen, denn ich habe gelernt, flexibel zu denken und mich auf neue Situationen einzulassen.

Was würden Sie im Rückblick anders machen? 
Ich würde die wirtschafts- und gesellschaftswissenschaftlichen Inhalte erhöhen, da ich später viele Managementaufgaben hatte. Das konnte ich aber auch bei Fortbildungen lernen. Eigentlich sollte ich – so der Wunsch meiner Eltern – Zahnarzt werden, doch mich interessierten andere Themen. Ursprünglich wollte ich Lehrer werden, ein Praktikum zeigte mir allerdings, dass es das nicht war.

Was nehmen Sie als Quintessenz aus dem Studium mit? 
Studieren ist vor allem Selbstbildung – es bereitet uns vor, Verantwortung für unser Handeln in der Gesellschaft zu übernehmen. Ich habe nicht studiert, um bloß Student zu sein oder umsonst Bus fahren zu können, sondern liebend gern Seminare besucht und interdisziplinär gedacht. Dadurch erkannte ich den Wert eines Studium generale, das finde ich heute wichtiger denn je.

Welchen Insidertipp haben Sie für die, die jetzt studieren? 
Sie sollten nicht auf kurzsichtige Menschen hören, die sagen „Pass Dich dem Arbeitsmarkt an“, sondern etwas Sinnvolles machen, das Menschsein neu definieren. Das, was wir tun – oder eben nicht – prägt unsere Exis­tenz. Es geht nicht um Wachstum, es geht darum, Wirtschaft so zu betreiben, dass sie dem Menschen dient.

Diese anthroposophische Denkweise teilen Sie mit Götz Werner, Gründer der dm-Märkte und Mercator-Professor an der UDE. 
Ja, uns verbindet einiges – u.a. die Einsicht, dass Mitarbeiterschulungen zu Themen wie Wahrnehmen, Verstehen, zur Kommunika­tion und Zusammenarbeit wertvoll sind. Die geistige Entwicklung der Mitarbeiter ist mindestens genauso wichtig wie der materielle Erfolg eines Unternehmens. Solche intensiven Auseinandersetzungen mit Menschen begleiten mich. Die habe ich schon in Duisburg genossen, wenn ich mit Professor Helmut Girndt – meinem späteren Doktorvater – durch den Wald lief und über Hegel debattierte. Mir hat die Stimmung an der Uni damals gefallen: Alles war überschaubarer und persönlicher als in Bochum, wo ich zuvor studierte.

Wie sieht Ihr Alltag heute aus? 
Immer noch viel Multitasking. Ich bin viel unterwegs und besuche andere Universitäten, unter anderem in England und Lateinamerika, was sicher durch meine brasilianischen Wurzeln kommt. Mir hilft dabei, dass ich mehrsprachig aufwuchs. Zudem lehre ich sehr gerne, was nicht ganz leicht zu verbinden ist mit dem Amt des Rektors. Mir ging es aber nie darum, bloß ein Hochschulmanager zu sein.

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