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Grenzen politischer Teilhabe

Wahl ohne Einfluss?

  • von Jennifer Meina
  • 08.03.2023

17,3 Prozent der Essener Bevölkerung sind bei Kommunal-, Land- und Bundestagswahlen ausgeschlossen; denn sie haben weder die deutsche Staatsangehörigkeit, noch die eines anderen EU-Landes. Die Wahl der Integrationsräte ermöglicht eine politische Teilhabe – doch das Interesse ist gering. Warum das so ist und wie sich das ändern lässt, haben Forschende der UDE und Köln erstmals für ganz Nordrhein-Westfalen untersucht.

Als immer mehr Gastarbeiter:innen nach Deutschland kamen und es in den 1970er Jahren klar wurde, dass sie dauerhaft bleiben wollen, wurden die ersten Ausländer- oder auch Integrationsbeiräte gegründet. Bis heute sollen sie die Interessen der ausländischen Bevölkerung vertreten und kommunale Gremien rund um Migration und Integration beraten. Die Wahlen im Fünf-Jahres-Turnus treffen aber nur auf wenig Interesse: 2020 lag die Beteiligung in Nordrhein-Westfalen bei 13,3 Prozent. Teilweise hatten Kommunen Probleme, die Listenplätze zu besetzen. Nicht nur die demokratische Legitimität wird deshalb immer wieder debattiert, sondern auch die Ursachen dafür.

Hier setzt die Analyse der Politikwissenschaftler:innen an: Ihre Studie untersucht mögliche Faktoren für die geringe Wahlbeteiligung. Dafür haben sie Daten von 2020 für 107 Gemeinden aus Nordrhein-Westfalen analysiert – dem Bundesland, in dem rund ein Viertel aller Integrationsräte in Deutschland zu finden sind. „Ein Hauptgrund für die geringe Wahlbeteiligung ist die Schwierigkeit, die sehr unterschiedlichen Interessen der ausländischen Wahlbevölkerung zu bündeln“, erklärt Paul Vierus vom Institut für Politikwissenschaften an der UDE. Ein weiteres Problem sei, dass Integrationsräte lediglich beraten und dadurch kaum Reichweite und Bekanntheit erhalten. Die Studie zeigt auch: Wenn etablierte Parteien mitwirken, erhöht sich die Wahlbeteiligung deutlich. „Sie professionalisieren den Wahlkampf und wirken interessenbündelnd – dadurch finden sich mehr Menschen wieder als wenn ausschließlich Einzelkandidat:innen oder kleinere Listen antreten“, sagt der Politikwissenschaftler. „Auch in politisch aktiven Gemeinden ist die Wahlbeteiligung bei Integrationsratswahlen höher, weil demokratische Teilhabe hier eher eine soziale Norm darstellt.“

Um mehr Menschen für die Integrationsratswahlen zu gewinnen, müssten sich also zum einen die etablierten Parteien intensiver einbinden und zum anderen dem Gremium echte Mitbestimmung statt bloßer Beratung zugestanden werden. Vierus ist sich sicher, dass es mit zunehmender gesellschaftlicher Vielfalt zudem immer wichtiger wird, Zugewanderte für die Politik zu gewinnen. „Eine frühzeitige politische Beteiligung beeinflusst auch maßgeblich die spätere Integration.“

Weitere Informationen:
https://link.springer.com/article/10.1007/s11577-022-00863-2
Paul Vierus, Institut für Politikwissenschaft, paul.vierus@uni-due.de

Redaktion: Jennifer Meina, Tel. 0203/37 9-1205, jennifer.meina@uni-due.de

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