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ERC Synergy Grant für Kulturen der Kryosphäre

Geschichte und Zukunft künstlicher Kälte

  • von Cathrin Becker
  • 26.10.2023

Ernährung, Gesundheit, Wohnen, Forschung: Viele Bereiche des modernen Lebens würden ohne künstliche Kühlung kaum funktionieren. Welche historischen wie aktuellen Auswirkungen dies hat, ist bisher jedoch weitgehend unerforscht. Gleichzeitig nimmt durch die globale Erwärmung der Kältebedarf rasant zu und wird unser planetares Energiebudget bald drastisch übersteigen. Was lässt sich dagegen tun? Dr. Stefan Höhne vom Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) sucht gemeinsam mit internationalen Kolleg:innen nach Antworten. Ihre herausragende Forschungsidee wird nun vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem renommierten Synergy Grant in Höhe von knapp zehn Millionen Euro gefördert, den das KWI und die UDE gemeinsam einwerben konnten.

Kühl- und Gefriertechnologien haben sich seit Beginn des Kalten Krieges rasant weiterentwickelt und in immer mehr Ländern ausgebreitet. Mittlerweile ist das weitverzweigte System von Kühlketten und klimatisierten Räumen zu einer eigenen energieintensiven und weltumspannenden Infrastruktur geworden – einer "künstlichen Kryosphäre", wie die Forschenden es nennen. Dr. Stefan Höhne vom KWI, einem interuniversitären Kolleg der UA Ruhr, und seine Projektkolleg:innen Prof. Suzana Alpsancar (Universität Paderborn), Dr. Alexander Friedrich (TU Darmstadt) und Prof. Bronwyn Parry (Australian National University) sehen dringenden Handlungsbedarf: Mit effizienteren Technologien allein lasse sich der weltweit steigende Energiebedarf für Kühlung kaum aufhalten. Es brauche auch einen tiefgehenden kulturellen Wandel hin zu einem gerechteren und nachhaltigeren Umgang mit diesen Technologien.

„Unser Ziel ist es, zu verstehen, wie künstliche Kälte zu so einem fundamentalen Merkmal moderner Kultur und Gesellschaften geworden ist, das immer mehr Aspekte unseres Alltags prägt“, so Dr. Stefan Höhne, der als europaweit erster Kulturwissenschaftler mit einem ERC Synergy Grant ausgezeichnet wird. „Besonders spannend und relevant ist für mich die Frage, welche neuen Ungleichheiten sich in diesen Prozessen abzeichnen werden, beispielsweise im Zugang zu medizinischer Versorgung, wie Impfstoffen, oder dem Schutz der Bevölkerung bei Hitzewellen.“

In den nächsten Jahren führt das Team in Zentraleuropa, Indien, Nordamerika und Australien interdisziplinäre Fallstudien in den Bereichen der Lebensmittelversorgung, Klimatisierung, Biomedizin und Computertechnik durch. „Dafür entwickeln wir neue Ansätze, die unterschiedliche Methoden aus der Kulturwissenschaft, der Geographie, der digitalen Begriffsgeschichte und der Technikphilosophie verbinden“, so Höhne.

Bis 2030 will das Team eine erste geografische Kartierung der globalen Kryosphäre und eine historische Rekonstruktion ihrer Entstehung vorlegen. Ebenso sollen ethnografische Studien lokaler Kühlpraktiken und eine philosophische Analyse der Werte und Normen entstehen, die mit den Verfahren künstlicher Kälte verknüpft sind.

Weitere Informationen:
Projektseite KWI
Dr. Stefan Höhne, KWI, Tel. 0201 183-8104, stefan.hoehne@kwi-nrw.de

Redaktion: Cathrin Becker, Tel. 0203/37 9-2131, cathrin.becker@uni-due.de

 

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