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Zum Tag der Artenvielfalt

Biodiversität: „Es sieht nicht gut aus.“

  • von Janina Balzer
  • 22.05.2024

Artenvielfalt, auch Biodiversität genannt, umfasst die Vielzahl von Lebensformen in unseren Ökosystemen und ist dabei für deren Stabilität und Gesundheit entscheidend. Sie ist jedoch stark bedroht. Wie es aktuell um sie steht, erklärt PD Dr. Christian Feld, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Biologie im Bereich Aquatische Ökologie.

Herr Feld, was bedeutet Artenvielfalt?

Bei Artenvielfalt – wir sprechen lieber von Biodiversität, weil allein die Artenzahl zu kurz greift – geht es um Tier- und Pflanzenarten, um Pilze und Mikroorganismen, aber auch um die Vielfalt der Eigenschaften, die diese Arten besitzen: Wie können zum Beispiel Pflanzen mit Trockenheit umgehen? Wie vielfältig ernähren sich bestimmte Tiergruppen? Wie sieht es mit der Resistenz gegenüber ungünstigen Umwelteinflüssen aus? Die Vielfalt an Eigenschaften sorgt dafür, dass Arten ganz unterschiedliche Lebensräume besiedeln können. Die genetische Diversität ist dabei von großer Bedeutung. Je höher sie ist, desto besser ist eine Art an sich ändernde Umweltbedingungen angepasst. Mit einer sinkenden Individuenzahl steigt jedoch die Gefahr, dass eine Art infolge ungünstiger Umwelteinflüsse genetisch verarmt und letztlich verschwindet. Diese ungünstigen Umwelteinflüsse sind übrigens meistens vom Menschen verursacht.

Und warum ist Biodiversität so wichtig?

Die verschiedenen Tier- und Pflanzenarten besiedeln die Ökosysteme nicht nur, oft formen sie diese sogar, zum Beispiel bei Korallenriffen. Sie sind eng mit der ökologischen Leistungsfähigkeit der Systeme verbunden. Es geht dabei auch um die vielen Organismen, die man meistens gar nicht sieht, die aber, wie beispielsweise bei Mikroorganismen und Pilzen wichtige Funktionen wie den Auf- und Abbau von Biomasse, den Nährstoffumsatz, die Festlegung von Kohlenstoff und -dioxid oder auch die Selbstreinigung des Wassers in Bächen, Flüssen und Seen übernehmen. Sie tragen wichtige Funktionen in diesen Ökosystemen.

Wie sieht es mit der Biodiversität aktuell in Deutschland aus?

Es sieht nicht gut aus. Studien zeigen, dass zum Beispiel die Insektenbiomasse in den vergangenen 30 Jahren sehr stark zurückgegangen ist. Viele Lebensräume für Vögel, Säugetiere, Amphibien, Reptilien, Insekten und Pflanzen sind überwiegend in einem schlechten Erhaltungszustand.

Auch 90 Prozent der regelmäßig überwachten Fließgewässer in Deutschland verfehlen einen guten Zustand. Für viele Binnengewässern können jedoch noch keine verlässlichen Aussagen gemacht werden, weil sie nicht überwacht werden. Das betrifft zum Beispiel die Mehrzahl der Bachoberläufe sowie die kleinen Stillgewässer in Deutschland.

Und welche Entwicklungen lassen sich beobachten?

Mittelfristig sind keine Verbesserung der Artenvielfalt zu erwarten, eher eine Verschlechterung. Angesichts der aktuellen politischen Großwetterlage und der anstehenden Wahlen in Europa ist eher zu beobachten, dass ambitionierte Ziele in Richtung Naturschutz und Erhalt der Biodiversität von politischer Seite zurückgefahren werden. Hinzu kommen mit dem Klimawandel sowie mit invasiven gebietsfremden Arten zwei weitere Treiber des Biodiversitätsverlustes hinzu.

Welche Projekte gibt es an der UDE, die sich mit dem Thema beschäftigen?

An der UDE haben wir gerade im Rahmen des Faktencheck Artenvielfalt zusammen mit der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung federführend das Kapitel zu den Binnengewässern und Auen entworfen. Der Faktencheck ist eine Bestandsaufnahme der aktuellen Biodiversität sowie ihrer Trends in Deutschland. Neben den Gewässern wurden dabei auch Wälder, urbane Räume, Agrar- und Offenland, Küsten sowie der Boden als Lebensraum betrachtet. Zudem haben wir uns im Faktencheck die wichtigsten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Treiber der Biodiversität sowie ihres Verlustes in Deutschland angeschaut, um darauf begründet Vorschläge für ihren Erhalt zu machen. Die Ergebnisse werden im September veröffentlich.

Außerdem gibt es seit 2024 das Forschungsprojekt „DNAqualIMG: Innovatives transnationales aquatisches Biodiversitätsmonitoring“. Es ermöglicht mit genetischen Hochdurchsatz-Analysen und automatischer Bilderkennung eine bessere Überwachung der biologischen Vielfalt in den Flüssen. Das inter- und transdisziplinäre Projekt des Konsortiums um Prof. Florian Leese trägt zum besseren Verständnis des Biodiversitätswandels in Europa bei.

Die Fragen stellte Janina Balzer.

Weitere Informationen:
PD Dr. Christian Feld, Aquatische Ökologie, Tel. 0201/18 3-4390, christian.feld@uni-due.de

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