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Interview mit dem Rektor

„Es gibt Tage, da habe ich zehn Videokonferenzen“

  • von Cathrin Becker
  • 02.04.2020

Herr Radtke, wo sind Sie – an der Uni oder zuhause?
Jetzt gerade zuhause. Ich bin zweimal in der Woche an der Uni, um Urkunden zu unterschreiben, um Vereidigungen vorzunehmen oder damit wichtige Fristen eingehalten werden. Der Kanzler und ich haben uns so aufgeteilt, dass wir die anfallenden Akten zügig hintereinander bearbeiten können.

Wie sieht Ihr Arbeitstag zurzeit aus?
Meine Kommunikation hat einen regelrechten Digitalisierungsschub erfahren. Wir testen gerade, welche Formate sich für Video- beziehungsweise Telefonkonferenzen eignen. Alle zwei Wochen bespricht sich z.B. das Rektorat mit den Dekan*innen – zusammen sind wir 17 Teilnehmer*innen. Trotz der hohen Informationsdichte und der Vielzahl an Leuten klappt das wirklich gut.  Es gibt Tage, da habe ich zehn solcher Konferenzen. Natürlich telefoniere ich regelmäßig mit einzelnen Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen; ich schicke auch viele Mails und SMS, um das abzustimmen, was man sonst zwischendurch persönlich besprochen hätte.

Arbeiten Sie länger als zuvor?
Mein Arbeitstag ist nach wie vor sehr lang. Einerseits habe ich Zeit gewonnen, weil viel ausfällt und ich gerade keine Dienstreisen mehr antrete. Anderseits bin ich abends oft viel erschöpfter, weil die Video- und Telefonkonferenzen, die ich ja meistens auch leite, eine noch höhere Konzentration erfordern.

Wie haben Sie die letzten Wochen erlebt?
Zunächst habe ich ein ungläubiges Staunen wahrgenommen – auch bei mir selbst. So eine Situation haben ja schließlich die wenigsten von uns schon einmal erlebt. Mittlerweile erlebe ich aber auch einen großen Tatendrang angesichts dieser neuen Situation. Die Menschen sortieren und organisieren sich neu.

Ich trage übrigens einen Mundschutz; den hat mir meine Frau genäht. Ich halte das für sinnvoll und denke, dass das in den nächsten Wochen zunehmen wird, auch wenn der Schutz für einen selbst nur gering ist. Ich möchte damit aber ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber meinen Mitmenschen setzen.

Was sind aus Ihrer Sicht die drängendsten Baustellen an der Uni?
Oh, da gibt es einiges! Der Prüfungs- und Lehrbetrieb muss wieder laufen. Wir haben noch viele hundert offene Prüfungen aus dem Wintersemester. Das Entscheidende ist, dass sie digital, fair und vor allem (rechts-)sicher durchgeführt werden können. Um die Prüfungen aber nachzuholen, müssen teils erst Ordnungen geändert werden

Wie wir die Lehrveranstaltungen im Sommersemester organisieren können, beschäftigt uns auch sehr. Da sehe ich aber schon viele positive Zeichen aus allen Fakultäten. Die Kolleg*innen sind sehr erfinderisch, was neue Formate angeht, bis hin zur Pflanzen- und Tierbestimmung in der Biologie. Wir haben ja auch schon eine ganze Menge im Bereich E-Learning entwickelt, nur bisher nicht in so einer Breite für alle angewandt. Die Forschung muss ebenfalls weitergehen, trotz des stockenden internationalen Wissenschaftsaustauschs.

Bei den Studierenden müssen wir im Blick haben, dass sie vor ganz unterschiedlichen Problemen stehen: Sie haben unter Umständen ihren Job verloren, sie haben vielleicht Kinder zu betreuen oder die Aufenthaltsgenehmigung läuft aus ... Deshalb ist es für mich sehr wichtig, dass wir das Sommersemester so flexibel wie möglich handhaben. Um den gesamten Bereich der Medizin mit unserem Uniklinikum und seine Kapazitäten kümmern wir uns natürlich auch.

Wenn die Corona-Krise vorbei ist: Worauf freuen Sie sich am meisten?
Privat ganz besonders darauf, meine Kinder, Enkel und die Eltern wiederzusehen. Beruflich freue ich mich darauf, mit den Kolleg*innen wieder für gemeinsame Gespräche in die Mensa zu gehen.

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