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Start ins digitale Semester

„Bei der Referatsvergabe wird’s chaotisch!“

  • von Cathrin Becker
  • 05.05.2020

Couch statt Hörsaal, Tablet statt Tafel – klang im Februar noch verlockend. Doch wie fühlt man sich tatsächlich ohne Campus und Kommilitonen? Was ist anders, wenn das Semester digital startet? Wir haben bei Carla Cingil nachgefragt. Die 21-Jährige studiert im 4. Semester Politikwissenschaft.

Wie ist für Sie das Semester auf Distanz angelaufen?
Am Anfang war alles ein wenig chaotisch, aber ich habe es mit Humor genommen. Etwas anderes bleibt uns in dieser Zeit ja auch nicht übrig.

Was klappt gut? Was klappt weniger gut?
Ganz gut ist die Kommunikation mit den Lehrenden. Weniger gut laufen manche Seminare. Ich höre täglich neue Gruselgeschichten über Dozierende, die einen mit Material zuschütten und viel mehr als sonst von den Studierenden erwarten. Nur weil wir von zuhause aus arbeiten, bedeutet das nicht automatisch, dass wir mehr Zeit oder Kapazitäten als sonst zur Verfügung haben. Es gibt Menschen, die mit dieser Situation überfordert sind.

Dazu kommt, dass leider viele Studierende technisch nicht gut ausgestattet sind. Aus Geldmangel. Wenn sie dann noch von Dozierenden aufgefordert werden, sich eine Kamera zu kaufen, wenn sie keine haben, ist das schwierig. Abgesehen von diesen Problemen, bin ich persönlich relativ zufrieden. Es ist für uns alle eine neue Situation, und ich habe keine Idee, wie man dieses Semester hätte besser meistern können.

Wie sieht ein typisches Online-Seminar oder eine -Übung aus?
Gar nicht so spektakulär, wie man vielleicht meint. Nur bei der Referatsvergabe wird’s chaotisch. Es lässt sich ja schlecht herausfinden, wer sich als erstes gemeldet hat, also herrscht Anarchie. Die Person, die als erstes am lautesten schreit, bekommt das Thema.

Abgesehen von solchen Tagen ist es meistens relativ ruhig, das liegt wohl auch daran, dass die Mikrofone ausgeschaltet sind und sich die Gespräche in die Chatrooms verlagern. Ich persönlich finde ein Online-Seminar definitiv stressiger als ein normales, denn man muss deutlich mehr Sachen vor- und nachbereiten, und das ist zeitraubender.

Wie halten Sie Kontakt zu Kommilitonen und Dozierenden?
Ich bin eigentlich kein Fan von Skype und Co., aber in der Coronakrise habe ich gelernt, mich mit diesen Plattformen anzufreunden. Mit meinen Kommilitonen halte ich regelmäßig auf zoom und skype Videocalls. Das ist zwar nicht mit einem realen Treffen zu vergleichen, aber in diesen Zeiten ist das OK. Der Kontakt zu meinen Dozierenden gestaltet sich ähnlich: Wenn ich Fragen habe, schicke ich diese entweder per Mail oder stelle sie nach der Vorlesung im Videochat. Die meisten Dozierenden geben sich wirklich Mühe, den Kontakt zu den Studierenden so gut und normal wie nur möglich zu erhalten.  

Was hat sich bei Ihnen durch die Coronakrise geändert?
Neben dem Studium arbeite ich als freie Mitarbeiterin für eine Zeitung und kellnere in einem Restaurant. Das kann ich jetzt nicht wirklich machen. Bei der Zeitung werden zurzeit leider nur wenige Termine vergeben. Das macht mich traurig, da das Schreiben meine große Leidenschaft ist, aber ich habe mich mit der Situation abgefunden. Da ich zurzeit aber sowieso mehr Arbeit in die Uni investieren muss, kommt mir diese zusätzlich freie Zeit ganz gelegen.

Was vermissen Sie gerade am meisten?
Am meisten vermisse ich den intensiven Kontakt zu meinen Freunden und die Freiheit, das zu tun, wonach mir gerade ist. Ich nutze die Zeit, um Sachen zu erledigen, die ich schon seit Jahren vor mir herschiebe wie zum Beispiel das Ausmisten von Klamotten. Wenn ich bedenke, dass manche Menschen in der Krise ihr Studium aufgeben müssen, ihre Existenz verlieren oder sogar sterben, kann ich mich wirklich nicht beschweren. Obwohl ich mich nach Normalität sehne, habe ich das große Glück, diese Krise ohne psychische Probleme und ohne Existenzängste zu überstehen – und genau das weiß ich jeden Tag zu schätzen.

Was machen Sie als erstes, wenn Sie es wieder dürfen?
Mit meinen Freunden feiern gehen. Zurzeit ist das ja undenkbar, umso mehr freu ich mich auf den Tag, an dem wir die Nacht wieder zum Tag machen und gemeinsam bis in die Morgenstunden tanzen können.  

Die wichtigsten Fragen rund um das hybride Sommersemester werden in einer FAQ-Übersicht beantwortet, die sukzessive erweitert wird.

 

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