Dr. Stephanie Antons
© UDE/Fabian Strauch

Warum ich forsche: Stephanie Antons

Dem Suchtverhalten auf der Spur

Ob World of Warcraft oder Pornografie: In der digitalen Welt verliert es sich leicht. Wie aus dem Medienkonsum ein problematisches suchtartiges Verhalten entstehen kann, erforscht Dr. Stephanie Antons. Ihre Arbeit führt die UDE-Psychologin an das 7-Tesla MRT des Erwin L. Hahn Instituts in Essen. Hier gewinnt sie mit hochauflösenden Gehirnscans tiefergehende Einblicke in die Aktivitäten verschiedener Hirnareale und deren Verbindung zu Suchterscheinungen.

Dr. Antons, Sie erforschen das Suchtverhalten in der digitalen Ära. Was interessiert Sie besonders?
Ich erforsche die sogenannte Gaming Disorder und die Pornographie-Nutzungsstörung. Das sind substanzungebundene Verhaltenssüchte, bei denen es mich vor allem interessiert, warum einige Menschen wegen dieser belohnenden Verhaltensweisen über eine verringerte Kontrolle verfügen und hierdurch Leidensdruck und Funktionseinschränkungen im Alltag erleben.

Wie sieht Ihre Arbeit dazu in der DFG-Forschungsgruppe 2974 aus?
In unserer aktuellen Studie mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) untersuchen wir, wie Menschen auf verschiedene Reize reagieren, die mit dem Suchtverhalten in Verbindung stehen und was währenddessen im Gehirn geschieht. Dazu arbeiten wir mit drei Probandengruppen zusammen: Personen, die ein Suchtverhalten aufweisen, Personen mit einem Suchtrisiko und mit einer Kontrollgruppe. Sie besteht aus Personen, die die Medien regulär nutzen.

Nach Laboruntersuchungen und klinischen Interviews im LWL Universitätsklinikum der RUB laden wir die Probanden zu einem fMRT-Termin im Erwin L. Hahn Institut ein. Im MRT liegend bekommen sie drei unterschiedliche Stimuli gezeigt. Im Fall der Pornographie-Nutzungsstörung sind das z.B. explizite pornographische Bilder, distale Stimuli, die eng mit dem Suchtverhalten verbunden sind, wie z.B. Login Screens pornographischer Seiten, sowie relativ neutrale Kontrollbilder. Über die Bilder hinweg können wir in den fMRT-Scans feststellen, welche Gehirnareale bei der Gruppe der Personen mit Verhaltenssucht beim Betrachten der suchtassoziierten Bilder besonders aktiv sind – und wie sich die Gehirnaktivität im Vergleich zu den Kontrollbildern verhält.

Welche Gehirnareale sind das?
Zunächst einmal ist da das Belohnungssystem. Unsere Forschung legt nahe, dass dieses System, ähnlich wie bei Personen mit Substanzabhängigkeit eine stärkere Aktivität aufweist, wenn Reize vorhanden sind, die mit dem spezifischen Suchtverhalten in Verbindung stehen. Außerdem beobachten wir, dass ein System, das Gewohnheiten widerspiegelt bei den Probanden ebenfalls stärker aktiviert ist. Daher gehen wir davon aus, dass Suchtverhalten immer automatisierter ausgeführt wird und vielleicht in späteren Phasen der Störungsentwicklung noch exzessiv ausgeführt wird, aber gar nicht mehr als so stark belohnend wahrgenommen wird.

Sie betreiben primär Grundlagenforschung zu einem recht jungen Anwendungsgebiet. Welchen Einfluss hat die Forschung auf die Situation der Patient:innen? 
Die Evidenz zu den zentralen Mechanismen der Entstehung und Aufrechterhaltung von Verhaltenssüchten setzt sich mit jeder unserer Studien Stück für Stück wie ein Puzzle zusammen. So können wir in der Hirnforschung mittlerweile zeigen, dass es Parallelen zwischen Substanz- und Verhaltenssüchten gibt, vor allem in Bezug auf die zentrale Rolle des Belohnungssystems. Diese Erkenntnis ist ganz wichtig für die Einordnung des Störungsbildes und hat auch dazu beigetragen, dass zum Beispiel die Gaming Disorder im Jahr 2019 als Verhaltenssucht klassifiziert wurde. Für mich war das ein besonderer Moment, denn durch die Anerkennung des Krankheitsbildes können Betroffene nun viel leichter behandelt werden können.

Auf der ICBA in Südkorea wurden Sie dieses Jahr mit dem „Best Paper of the Year in the Journal of Behavioral Addictions Award“ ausgezeichnet. Worum geht es?
Der Artikel dreht sich um die Frage, welche therapeutische Maßnahmen Patient:innen mit problematischen Pornographie-Nutzung helfen. Dafür haben wir in einer systematischen Übersichtsarbeit bestehende Studien ausgewertet. Und das Ergebnis ist durchaus ermutigend, es zeigt, dass die kognitive Verhaltenstherapie eine gute Wirkung erzielen kann. Mit einer solchen Studienlage kann künftig auch die Basis für mehr und bessere Therapien geschaffen werden.

 

Neuro- und Verhaltenswissenschaften an UDE und Ruhr- Universität Bochum
Lernen, Erinnern, Vorhersagen – diese Prozesse wollen Forschende von der molekularen bis zur Verhaltensebene verstehen. Zu diesem Zweck kooperieren die Universität Duisburg-Essen und die Ruhr-Universität Bochum im Sonderforschungsbereich 1280 „Extinktionslernen“. Eine enge Zusammenarbeit besteht darüber hinaus in der Forschungsgruppe FOR2974 „Affective and cognitive mechanisms of specific Internet-use disorders“ und in diversen weiteren Projekten. 2021 wurde zudem das Research Center One Health gegründet, in dem die beiden Standorte ihre Kräfte bündeln. Schon seit 2007 arbeiten die Ruhr-Universität Bochum, die Universität Duisburg-Essen und die Technische Universität Dortmund unter dem Dach der Universitätsallianz Ruhr strategisch eng zusammen.

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