Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen

Lohnentwicklung in Ost und West 25 Jahre nach dem Mauerfall

Schleppender Aufholprozess

[07.11.2014] 25 Jahre nach dem Mauerfall kommt die Angleichung der Löhne zwischen Ost und West nur schleppend voran. Die Stundenverdienste in Ostdeutschland stiegen von knapp 54 Prozent des Westniveaus im Jahr 1992 bis auf 77 Prozent im Jahr 2012. Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich der Aufholprozess deutlich verlangsamt. Nicht nur höhere Löhne im Osten, sondern auch der Lohnverfall bei Geringverdienenden im Westen verursachten die Angleichung. Das zeigt der aktuelle Report des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).

Ein Großteil der Annäherung erfolgte rasch nach der Wiedervereinigung. 1994 erreichten die Ostlöhne schon rund 70 Prozent des Westniveaus, wie die Studie von Prof. Dr. Gerhard Bosch, Dr. Thorsten Kalina und Dr. Claudia Weinkopf auf der Basis des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) ergab. Deutliche Unterschiede gibt es zwischen den Wirtschaftszweigen: Der öffentliche Dienst ist mit seiner hohen Tarifbindung Vorreiter. Seine Beschäftigten erreichen bereits 91 Prozent des Westniveaus gegenüber 79 Prozent bei den privaten Dienstleistungen. Das produzierende Gewerbe ist mit nur 64,5 Prozent ohne Erhöhungen seit 1995 das Schlusslicht. Einen wichtigen Grund hierfür sehen die IAQ-Forscher in der starken Erosion der Tarifbindung: Im produzierenden Gewerbe wird nur jeder dritte Beschäftigte nach Tarif bezahlt gegenüber mehr als jedem zweiten im Westen.

Die ostdeutschen Frauen erreichen 2012 bei den mittleren Löhne 85,5 Prozent des Westniveaus, die Männer hingegen nur 69 Prozent. Bei den gutverdienenden ostdeutschen Frauen ist mit 90 Prozent des Westniveaus die Lücke schon fast geschlossen. „Durch den schnelleren Aufholprozess der Frauen ist der gender pay gap in Ostdeutschland auch erheblich geringer als im Westen“, so Dr. Claudia Weinkopf, Stellvertretende IAQ-Direktorin und Leiterin der Forschungsabteilung Flexibilität und Sicherheit. Allerdings wuchsen auch Teilzeitbeschäftigung und Minijobs – früher in Ostdeutschland eher unüblich – und zwar stärker als im Westen. „Diese Verlagerung zu schlechter bezahlten Tätigkeiten hat den Aufholprozess der Löhne gebremst“ stellt Dr. Thorsten Kalina fest.

Seit Mitte der 1990er Jahre nähern sich Ost- und Westlöhne nur noch um 0,36 Prozentpunkte pro Jahr an. „Ohne deutliche Änderungen in der Lohnpolitik werden die Ostlöhne das Westniveau erst im Jahre 2081 erreichen“ kritisiert IAQ-Direktor Prof. Dr. Gerhard Bosch. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 € sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, zumal erheblich mehr ostdeutsche (29,3%) als westdeutsche Beschäftigte (16,9%) davon profitieren werden.

„Der Mindestlohn bietet die Chance, – fast rechtzeitig zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls – wieder neuen Schwung in den ostdeutschen Aufholprozess zu bringen“, hofft Bosch. Voraussetzung dafür seien die effektive Umsetzung des Mindestlohns und eine wirkungsvolle Kontrolle durch den Zoll. Um diesen Schwung mitzunehmen, muss die Tarifbindung in Ostdeutschland - mit 47 Prozent deutlich geringer als im Westen mit 60 Prozent - wieder steigen. Aufgrund der raschen Alterung der Erwerbsbevölkerung und des absehbaren Fachkräftemangels infolge der starken Abwanderung in den Westen könnten auch die Unternehmen ein Interesse daran haben. „Fachkräfte werden sich im Osten kaum auf Dauer halten lassen, wenn sie nur den Mindestlohn oder nur wenig mehr erhalten.“

Weitere Informationen: http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report
Prof. Dr. Gerhard Bosch, Tel. 0203-379-1827, gerhard.bosch@uni-due.de;
Dr. Claudia Weinkopf, Tel. 0203/379-1353, claudia.weinkopf@uni-due.de;
Dr. Thorsten Kalina, Tel. 0203/379-1352, thorsten.kalina@uni-due.de

Redaktion: Claudia Braczko, Tel. 0170/8761608, presse-iaq@uni-due.de

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