Projekt zu einer vorbeugenden Pflegepolitik

Wie pflegende Angehörige ihren Alltag meistern

  • von Ulrike Bohnsack
  • 10.01.2019

3,5 Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland. Oft werden sie zuhause von Angehörigen versorgt. Wie bewältigen diese eine so wichtige Aufgabe? Was hilft ihnen dabei und was fehlt? Mit diesen Fragen haben sich Wissenschaftlerinnen der TH Köln, der Universität Duisburg-Essen (UDE) und der Fachhochschule Bielefeld in einem gemeinsamen Projekt* beschäftigt.

Dabei ging es nicht darum, die Effektivität der Pflege zu bewerten. Ziel der Studie war es, sich die Pflegestrategien der Angehörigen anzuschauen. Spielen hierbei Bildung, Einkommen, Geschlecht, sozioökonomischer Status, Erwerbstätigkeit oder ein Migrationshintergrund eine Rolle?

Die Grundlage der Studie bildeten 20 leitfadengestützte Interviews mit deutschen und türkischstämmigen Menschen aus dem städtischen Raum, die ein Eltern- oder Schwiegerelternteil ab Pflegegrad drei (körperlich schwerst beeinträchtigt) oder mit fortgeschrittener Demenz pflegen oder gepflegt haben – Vollzeit bzw. stundenweise.

Die Forscherinnen haben fünf Angehörigentypen ausgemacht, die aufgrund ihrer jeweiligen Lebenssituation ihre Aufgaben unterschiedlich bewältigen: Die eine Gruppe hat die finanziellen Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen und Dienste dazuzukaufen, die andere verfügt über weniger Einkommen, kann sich aber auf ein familiäres Netzwerk stützen.

Typ drei ist nicht oder stundenweise berufstätig und sieht die Vollzeitpflege eines Familienmitglieds als sinnstiftende Beschäftigung oder Phase, die zum Leben dazugehört. Wenn er oder sie das über Jahre ohne Hilfe oder Auszeiten alleine macht, droht ein Burn-out. Gefährdet, selbst krank oder arm zu werden, sind hingegen Gruppe vier – man pflegt aus einem emotionalen Abhängigkeitsverhältnis heraus – sowie Gruppe fünf: Diese Menschen stehen in einem ständigen Konflikt, ihren eigenen Lebensentwurf aufrechterhalten zu können und Erwartungen zu entsprechen.

Fazit der Autorinnen: Nicht der sozioökonomische Status ist entscheidend, damit Pflegende den Alltag bewältigen. Vielmehr ist es die Selbstsorge. Fehlt die Zeit, sich über Hilfsangebote zu informieren oder für Freiräume zu sorgen, stoßen Angehörige an ihre Grenzen – sei es in Familien mit oder ohne Migrationshintergrund. Deshalb fordern die Forscherinnen von den Kommunen in allen Pflegephasen eine aufsuchende, individuelle Beratung und Begleitung am besten aus einer Hand.
 

Weitere Informationen:
https://www.th-koeln.de/hochschule/wie-pflegende-angehoerige-ihren-alltag-meistern_61575.php
Prof. Dr. Sigrid Leitner (Projektleitung), Angewandte Sozialwissenschaften, TH Köln.
Prof. Dr. Simone Leiber, Institut für Soziale Arbeit und Sozialpolitik, Universität Duisburg-Essen
Prof. Dr. Diana Auth, Sozialwesen, Fachhochschule Bielefeld.

Redaktion: Ulrike Bohnsack, Tel. 0230/37 9-2429, ulrike.bohnsack@uni-due.de

Zurück

Hinweis:
*PflegeIntersek „Pflegende Angehörige als Adressat_innen einer vorbeugenden Pflegepolitik: Eine intersektionale Analyse“ wurde gefördert vom Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung (FGW) NRW.

-------------------------
Post-Views: 7210