Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen
Von Deutschland lernen: Bürgernahe Verwaltung
[11.04.2006] China möchte seine lokalen Verwaltungen reformieren und nimmt sich deutsche Kommunen zum Vorbild. Das ist Anlass für ein Kooperationsprojekt zur bürgernahen Verwaltung zwischen der Uni Duisburg-Essen und dem Chinesischen Zentrum für Politik- und Wirtschaftsvergleich in Peking. Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus dem Reich der Mitte und mit Fördermitteln der Haniel-Stiftung erarbeiten der Ostasienwissenschaftler Professor Dr. Thomas Heberer und Verwaltungswissenschaftler Professor Dr. Dieter Grunow bis Ende des Jahres ein Konzeptpapier für die chinesische Regierung.
Bei der Kernfrage, was China von Deutschland lernen kann, schauen die Wissenschaftler auf vier Bereiche: lokale Bürgerpartizipation, Übertragung öffentlicher Dienstleistungen an private Organisationen, Transparenz von Entscheidungsabläufen in lokalen Verwaltungen und die Rolle von Sozialwissenschaftlern bei der Reform des Verwaltungsapparats. Geforscht wurde und wird vor Ort: So waren im vergangenen Sommer zwei chinesische Wissenschaftler in Duisburg, in Gemeinden am Niederrhein sowie in Brandenburg und Berlin Fragen zur Verwaltungsreform in Ost- und Westdeutschland nachgegangen. Im Februar und März dieses Jahres evaluierten die Professoren Heberer und Grunow Verwaltungsreformen in der südostchinesischen Millionenstadt Wenzhou, in zwei Städten der Provinz Hunan (Zentralsüdchina), im Kreis Qian’an (Provinz Hebei, Nordchina) sowie in einem Pekinger Stadtbezirk.
Heberer und Grunow fanden sehr unterschiedliche Ansätze und Schwerpunkte der Verwaltungsreform vor. Zwar werden der chinesischen Bevölkerung mehr und mehr Möglichkeiten bei der Mitgestaltung, vor allem in sozialen Feldern, eingeräumt, sagen die Politikwissenschaftler. Auch nehme die Transparenz und Verregelung bei Verwaltungstätigkeiten zu, selbst Ansätze für eGovernment seien zu finden. Dennoch sei es in erster Linie der Staat, der diese Prozesse einleite und steuere. „Dies erscheint uns aber durchaus sinnvoll“, stellt Heberer klar. „Denn was sind gegenwärtig die Bedingungen? Fehlendes bürgerliches Engagement, eine stark auf Gruppeninteressen beruhende Kultur und langjährige planwirtschaftliche Sozialisierung.“
Chinaexperte Heberer nennt Beispiele für die regional und lokal recht unterschiedlichen Schwerpunkte: „In Wenzhou hatten Bürokratismus und weit verbreitete Korruption zur Folge, dass Unternehmen abwanderten und Investitionen zurückgingen. Deshalb hat die Stadtregierung eine „Effizienzrevolution“ ins Leben gerufen mit festen und transparenten Regeln für Investoren und Unternehmen. Dazu gehört ein „Servicecenter“ für unbürokratische Genehmigungsverfahren. In Hunan dagegen bemühen sich Frauenvereinigungen vornehmlich um frauenspezifische Probleme - Gewalt in der Familie, Alleinerziehende - und um die Erhöhung des Anteils von Frauen in den Dorfleitungen. In Qian’an experimentiert die Regierung mit einer modernen Form genossenschaftlicher Gesundheitsversorgung für die Bauern, um die Unzufriedenheit im ländlichen Raum einzudämmen. In Peking wiederum steht die Umwandlung der Stadtviertelbehörden zu Dienstleistungsorganen an. Dadurch sollen Probleme in der medizinischen Versorgung, Altenbetreuung und der Fortbildung Arbeitsloser gelöst werden.“
Für das gemeinsame Beratungskonzept stützen sich die Wissenschaftler beider Länder vor allem auf die bewährte Praxis bürgernaher Verwaltung in Deutschland: städtische Bürgerbüros und Bürgerbegehren, Mitwirkung der Bevölkerung an kommunalen Planungskonzepten, Privatisierung kommunaler Dienstleistungen sowie Politikberatung durch Wissenschaftseinrichtungen, wie sie etwa das Rhein-Ruhr-Institut für Politikberatung, An-Institut der UDE, leistet. „Solche Dinge lassen sich auch in China umsetzen“, sagt Heberer“, „zunächst allerdings in Teilbereichen und experimentell.“
Redaktion: Ulrike Bohnsack, Tel. 0203/379-2429
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