Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen

Eisalge (Bild: Gerhard S. Dieckmann)
Eisalge (Bild: Gerhard S. Dieckmann)

Internationale Forschergruppe entdeckt Anpassungsmechanismus

Überlebenskünstler im Eismeer

[17.01.2017] Ein Überlebenskünstler: Die Kieselalge (Fragillariopsis cylindrus) lebt und vermehrt sich nicht nur im lichtarmen polaren Eis – sie verträgt sogar hohe Salz-, Eisen- und Kohlendioxidkonzentrationen. Wie sie dies seit Jahrtausenden schaffen, untersuchte eine internationale Wissenschaftlergruppe, darunter auch Prof. Dr. Florian Leese von der Universität Duisburg-Essen (UDE).

Prof. Leese: „Das Erbgut der Kieselalge im Eismeer umfasst 60 Mio. Basen. Eine vergleichende Genomanalyse lieferte erste Anhaltspunkte, wie sich die Alge an die extremen Umweltbedingungen anpassen kann und wie sich der Klimawandel auf diese evolutionäre Anpassung auswirken könnte.“ Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Überraschendes Ergebnis: Im Winter aktiviert die Kieselalge eine andere Genvariante als im Sommer. Dies ergab ein Vergleich mit den Erbanlagen von zwei verwandten Kieselalgen (Thalassiosira pseudonana und Phaeodactylum tricornutum) mit je etwa 30 Mio. Basenpaaren. Diese beiden Arten leben in Meeren gemäßigter Breiten. Das Phytoplankton der Meere, darunter auch Kieselalgen, bindet weltweit mehr als ein Drittel des Kohlenstoffs der Ozeane. Deshalb spielen diese Organismen eine große Rolle in der Kohlendioxidbilanz der Erde.

Im Polarwinter wird die Kieselalge F. cylindrus im polaren Eis eingeschlossen. Sie muss mit hohen Salzkonzentrationen, stark variierenden Eisen und Kohlendioxidkonzentrationen, extrem niedrigen Temperaturen und zeitweise fast ohne Licht auskommen. Sogar unter diesen extremen Bedingungen vermehrt sie sich noch, wenn auch in relativ geringem Umfang.

Im Polarsommer, wenn das Winterpolareis verschwindet, werden die Algen aus dem Eis freigesetzt und vermehren sich unter dem Einfluss des Sonnenlichts stark. Sie dienen dem Krill als Nahrungsgrundlage und bildet somit eine wichtige Grundlage für das Nahrungsangebot im Südpolarmeer.

Weil fast ein Viertel des F. cylindrus Genoms hoch divergente Allele besitzt, also Varianten der gleichen Gene, die sich aber durch Mutationen stark unterscheiden, kann die Kieselalge auf verschiedene Umwelteinflüsse reagieren. Diese allelische Divergenz entstand vor ca. 110.00 Jahren, zu Beginn der letzten Eiszeit.

Prof. Leese: „Diese Erkenntnis, dass die Eisalge über extrem unterschiedliche Sommer- und Winterallele an vielen Genorten im Erbgut verfügt, kam vollkommen unerwartet und ist ein echter Durchbruch für die Forschung. Nun kann besser verstanden werden, wie natürliche Organismen auf veränderte Umweltbedingungen reagieren. Daran zeigt sich auch, wie komplex die Überlebensmechanismen in der Natur eingerichtet sind.“

Weitere Informationen: http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature20803.html

Prof. Florian Leese, Aquatische Ökosystemforschung, Tel. 0201/183-4053, florian.leese@uni-due.de

Redaktion: Beate Kostka, Tel. 0203/379-2430, beate.kostka@uni-due.de


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