Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen

Wissenschaftler empfehlen der Polizei in NRW:

Neues Organisationsmodell

[07.05.2004] Politikwissenschaftler des Rhein-Ruhr-Instituts für Sozialforschung und Politikberatung (RISP) an der Uni Duisburg-Essen kommen in einer heute (6.5.) vorgestellten Studie über neue Steuerungsmodelle in der Polizei zu dem Schluss, dass die Leitungsebene neu strukturiert werden sollte. Da die Ressourcen kleinerer Behörden nicht ausreichen, das umfangreiche Steuerungsmanagement leisten zu können, sollten sie zu vergleichbar großen Behörden zusammengefasst werden.

Sie schlagen deshalb vor, die vorhandenen 49 Kreispolizeibehörden auf rund 33 zu reduzieren. Hinzu kämen zwei als Kreispolizeibehörden strukturierte Sonderbereiche: die Wasserschutzpolizei und die Autobahnpolizei. Eine Zusammenlegung kleinerer Kreispolizeibehörden zu jeweils einer großen beträfe im Prinzip nur die Behördenleitung. Die Polizeiinspektionen wären nicht berührt und blieben bestehen. Die bürgernahe Präsenz in der Fläche bliebe gewahrt.

In ihrem dreijährigen Forschungsprojekt haben Prof. Dr. Hans-Jürgen Lange und Dipl.-Soz.-Wiss. Jean-Claude Schenck die Verwaltungsreformen in den Polizeien der Länder und des Bundes untersucht. Sie haben sich intensiv mit den Folgen dieser Verwaltungsreformen für die Arbeit der Polizei auseinandergesetzt. Die Studie ist von der Hans Böckler Stiftung (HBS) gefördert worden.

Unter dem Begriff „Neues Steuerungsmodell“ (NSM) reformieren seit Mitte der 90er Jahre auch die Polizeien der Länder und des Bundes ihre Verwaltungen. Ziel dabei ist neben mehr Effizienz des Verwaltungshandelns vor allem auch eine größere Bürgerorientierung. Mehr Effizienz des Polizeihandelns und eine größere Orientierung an den Wünschen der Bürger sollen dabei durch eine größere Selbständigkeit der mit dem Bürger in Kontakt stehenden Polizisten der Polizeiwachen erreicht werden. Diese sollen von ihrer nächst höheren Dienststelle nicht mehr detaillierte Aufgaben zugewiesen bekommen, sondern vereinbaren Zielvorgaben, die sie in Eigenverantwortung mit einem vorgegebenen Budget erfüllen.

Gestaltungsempfehlungen für die Polizei in NRW

Die vorgeschlagene Modifikation der Polizei in Nordrhein-Westfalen geht davon aus, die bestehende, erst in den neunziger Jahren umfangreich reformierte Organisationsstruktur in wesentlichen Bereichen unverändert zu lassen. Reformen wie in den neunziger Jahren, als Jahrhundertreform gepriesen, lassen sich nicht alle zehn Jahre umstülpen, wird es dennoch versucht, ist die „kaputte“ Organisation die zwangsläufige Folge.

Die Wissenschaftler schlagen vor, im Wesentlichen die Leitungsebene neu zu strukturieren. Da die Ressourcen kleinerer Behörden nicht ausreichen, das umfangreiche Steuerungsmanagement leisten zu können, sollten sie

zu vergleichbar großen Behörden zusammengefasst werden. Als Richtgröße wurde eine Bevölkerungszahl von etwa 550.000 Einwohnern genannt. Dies bedeutet, die vorhandenen 49 Kreispolizeibehörden auf rund 33 zu reduzieren. Hinzu kämen zwei als Kreispolizeibehörden strukturierte Sonderbereiche: die Wasserschutzpolizei und die Autobahnpolizei.

Leiter der Kreispolizeibehörden sind die Polizeipräsidenten, die keine Polizisten, sondern politische Beamte sind. Ihre Zahl würde sich damit von derzeit 20 auf 33 erhöhen. Es kommen hinzu die beiden Polizeipräsidenten jeweils als Leiter der Autobahn- und der Wasserschutzpolizei. Insgesamt entfielen so 16 komplette Behördenleitungen einschließlich der Abteilungsstäbe GS. Eine Zusammenlegung kleinerer Kreispolizeibehörden zu jeweils einer großen beträfe im Prinzip nur die Behördenleitung. Die Polizeiinspektionen wären nicht berührt und blieben bestehen. Die bürgernahe Präsenz in der Fläche bliebe gewahrt.

Die Polizeipräsidenten haben neben der Behördenleitung insbesondere die Aufgabe, zwischen den Belangen von Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit zu vermitteln, die Polizei in den kooperativen Netzwerken zu vertreten, die orts- und situationsangemessene Umsetzung der Politik-Programme sowie deren Evaluation zu gewährleisten. Durch den Wegfall der Behördenleitung kleinerer Behörden sowie durch die Auflösung einer Hierarchieebene werden die Ressourcen gewonnen, die für ein solches wirkungsorientiertes Steuerungsmanagement erforderlich sind.

Die Grenzen der neuen Kreispolizeibehörden sind deckungsgleich mit denen der Kommunen und Kreise anzulegen, die zum Zuständigkeitsbereich einer Polizeibehörde zählen. Eine begleitende Justizreform sollte anstreben, dass die sich historisch entwickelten Bezirke der Staatsanwaltschaften und Gerichte, die oftmals völlig quer zu denen der Polizei und der Kommunen liegen, entsprechend angepasst werden und möglichst deckungsgleich ausfallen. Der Koordinationsaufwand aller Behörden würde sich dadurch erheblich verringern, eine solche Zuständigkeitstransparenz auch für die Bürger von Vorteil sein.

Außerhalb der Kreispolizeibehörden verblieben nur wenige Behörden und Einrichtungen mit gesonderten Aufgabenstellungen: von fünf auf drei reduzierte Bezirksregierungen (Aufsichts- und Koordinationsaufgaben), die Zentralen Polizeitechnische Dienste (Beschaffung und Technik), das Institut für Aus- und Fortbildung (verbleibende Ausbildung des mittleren, Weiterbildung für den gehobenen Dienst) und das Landeskriminalamt (überregionale schwere Kriminalitätsfälle, Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt etc.). Das Innenministerium bleibt konzentriert auf Planungs- und Steuerungstätigkeiten.

In Abstimmung mit dem Parlament entwickelt es die für die Polizei- und Kriminalpolitik sowie Politik der Inneren Sicherheit relevanten Programme, vereinbart die Umsetzung mit den nachgeordneten Behörden, überprüft in einem beständigen Abgleich die Umsetzung, evaluiert die erzielten Wirkungen, interveniert, wenn sich die Programmumsetzungen in einzelnen Behörden verselbstständigen. Auf allen Behördenebenen wäre das durchgängige Strukturprinzip aufgabenbezogen. Die beiden zentralen Staatsaufgaben, die für die Polizei bestimmend sind: Gefahrenabwehr und Straftatenermittlung, bilden sich in einem Leistungskatalog ab.

Die Autoren:
Dr. Hans-Jürgen Lange, Professor für Politikwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg, Leiter der Forschungsgruppe Politische Steuerung und Konfliktregelung (polikon) am Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP) an der Universität Duisburg-Essen.
Dipl.-Soz.-Wiss. Jean-Claude Schenck, wiss. Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Politische Steuerung und Konfliktregelung (polikon) am Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP) in Duisburg, Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen.

Bibliographischer Hinweis:
Hans-Jürgen Lange / Jean-Claude Schenck
Polizei im kooperativen Staat.
Verwaltungsreform und Neue Steuerung in der Sicherheitsverwaltung, Wiesbaden 2004, 462 Seiten, 39,90 EUR, ISBN 3-531-14243-7

Redaktion: Beate H. Kostka, Tel 0203/379-2430

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