Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen

Studie zur Einkommensungleichheit in Deutschland

Auch Arbeitszeit vergrößert die Kluft

[19.11.2015] Die wachsende Einkommenskluft in Deutschland wird nicht nur durch niedrige Löhne, sondern auch durch geringe Arbeitszeiten verursacht. Viele Haushalte rutschen wegen Teilzeit in die unterste Einkommensschicht, während andere aufgrund langer Arbeitszeiten mit zwei Vollverdienern nach ganz oben aufrücken können – selbst mit mittleren Stundenlöhnen. Das zeigen aktuelle Untersuchungen des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen (UDE).

„Die Arbeitszeiten sind zunehmend ungleich verteilt“, stellt IAQ-Direktor Prof. Dr. Gerhard Bosch fest. Vor allem in den unteren Einkommensschichten hat die Vollzeitbeschäftigung abgenommen. Hier haben nur noch 42 Prozent der Haushalte einen Vollverdiener; das sind 20 Prozentpunkte weniger als vor 15 Jahren. In der Oberschicht sind es hingegen stabile 78 Prozent.

Mit wachsendem Einkommen steigt die Zahl der bezahlten Arbeitsstunden, wie die Studie zeigt: Der durchschnittliche Stundenlohn in der Oberschicht war zwischen 2011 und 2013 mit 38,62 Euro rund fünfmal höher als der in der Unterschicht. Und die Arbeitszeiten der besser gestellten Haushalte liegen im Durchschnitt um 2.000 Stunden pro Jahr über denen, die am schlechtesten verdienen.

Mit höheren Stundenlöhnen verändern sich die Optionen: Haushalte können es sich eher leisten, dass zwei Verdiener nur Teilzeit arbeiten oder einer die Familie alleine ernährt. Die höchsten Stundenlöhne in der Oberschicht hatten mit 51 Euro die Alleinernährer und mit 52 Euro die Haushalte mit zwei Teilzeitbeschäftigten.

Der Wunsch der Wenigverdiener, ihr Gehalt durch längere Arbeitszeiten aufzubessern, ist allerdings selten erfolgreich. Ihnen wird oft wegen geringer Qualifikation nur Teilzeitarbeit angeboten oder sie sind unfreiwillig arbeitslos. „Die Chancen, Arbeits- und Erwerbswünsche auch tatsächlich zu realisieren, sind sehr unterschiedlich“, so Prof. Bosch. Die Wünsche nach mehr Arbeit nehmen mit steigendem Einkommen pro Haushalt ab. In der untersten Schicht würden fast 44 Prozent länger arbeiten, während es in der Oberschicht knapp 21 Prozent sind. Besonders ausgeprägt ist dieses Bestreben bei den Teilzeitbeschäftigten und den Minijobbern.

Nach Einschätzung von Professor Bosch muss die Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik darauf zielen, die Ungleichheit bei den Markteinkommen zu verringern. „Die Fehlanreize für Beschäftigte, nur kurz zu arbeiten, und für Unternehmen, nur Minijobs anzubieten, müssen beseitigt werden.“ Gleichzeitig müssen die Arbeitszeitoptionen gering Qualifizierter durch Nachqualifizierung verbessert werden.

Weitere Informationen:
http://www.iaq.uni-due.de/iaq-forschung/2015/fo2015-01.pdf
Prof. Dr. Gerhard Bosch, Institut Arbeit und Qualifikation, gerhard.bosch@uni-due.de, Tel. 0203/379-1827

Redaktion: Claudia Braczko, Tel. 0170/8761608, claudia.braczko@uni-due.de

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