Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen

Ein Plädoyer des UDE-Rektors für nachgelagerte Studienbeiträge

Erst studieren – dann zahlen

[28.02.2011] Der Rektor der Universität Duisburg-Essen (UDE), Prof. Dr. Ulrich Radtke, nimmt Stellung zur Zukunft der Studienbeiträge:
"Der nordrhein-westfälische Landtag hat vergangene Woche beschlossen, die Voraussetzungen zur Erhebung von Studienbeiträgen an den NRW-Hochschulen aufzuheben; damit löst die neue Landesregierung das populäre Wahlkampfversprechen ein, die erst 2007 eingeführten 'Gebühren', die zur Verbesserung der Lehrsituation beitragen sollten, schon nach knapp einer Legislaturperiode wieder abzuschaffen.

Diese politische Kehrtwende und die damit verbundene Unsicherheit in der Planbarkeit der Universitätsfinanzen sind für die Hochschulen nicht unproblematisch, denn die Qualität der Lehre an den NRW-Hochschulen sollte ja nicht von der jeweiligen Zusammensetzung einer Regierung abhängen. Es ist der aktuellen Regierung hoch anzurechnen, dass sie große Anstrengungen unternommen hat, Kompensationsmittel für den kommenden Einnahmeausfall bereit zu stellen. Sie werden auch dringend benötigt, um diesen wichtigen Einsatz für die Studierenden weiterhin zu gewährleisten. Die UDE geht bislang davon aus, dass ihr auch künftig in etwa die bisher eingenommene Summe zur Verfügung steht und entsprechend einsetzen kann.

Erwartung: Das Mittelaufkommen bleibt vermutlich stabil

Bislang hatte die UDE jährliche Studienbeitrags-Einnahmen von etwa 19 bis 20 Mio. Euro. Diese Mittel sind ausschließlich für Maßnahmen verausgabt worden, die sich unmittelbar im Studienalltag auswirken und die Qualität der Lehre verbessern, vom Ausbau der Computerarbeitsplätze für Studierende über die Modernisierung der Hörsaal- und Seminarräume bis hin zu zusätzlicher Studienliteratur und mehr Lehrpersonal vom Wissenschaftler bis zur Studentischen Hilfskraft. Etwa 13 Mio. Euro wurden jährlich aufgewendet, um die Studierenden personell besser zu betreuen.

Angesichts der wachsenden Staatsverschuldung muss aber kritisch gefragt werden, ob die jetzt gesetzlich festgeschriebenen Kompensationszahlungen auf Dauer durchzuhalten sind. Schon jetzt zeichnet sich nämlich eine finanziellen Erosion an anderen Stellen in den Universitätshaushalten ab, wie z.B. eine Beteiligung der Hochschulen an den zu erwartenden Lohnsteigerungen, eine Deckelung von Bewirtschaftungskosten oder Selbstbeteiligungen an Baumaßnahmen. Zudem sind die bisher in Aussicht gestellten Beträge nur bedingt auskömmlich, der Betrag von 249 Mio. Euro berücksichtigt nicht die – erfreulicherweise – stark steigenden Studierendenzahlen. Zudem ist die Betreuungsrelation von Studierenden zu Professoren an den Universitäten trotz der Studienbeiträge noch weit von einem wünschenswerten Zustand entfernt – hieran wird auch das neue Bundesprogramm zur Verbesserung der Lehre nichts Substanzielles ändern.

Plädoyer für nachgelagerte Studienbeiträge

Denkt man somit mittelfristig, wird man an nachgelagerten Studienbeiträgen nicht vorbeikommen. Denn was macht gute Lehre aus? Individuelle Betreuung, vielfältige Lehrangebote, Kleingruppenarbeit, moderne Lernumgebung - all dies sind wichtige Faktoren für ein erfolgreiches Studium, das Lernende wie Lehrende motiviert. Die notwendige Finanzierung fällt dem Staat aber zunehmend schwer.

Unterschiedliche Interessengruppen fordern mit jeweils guten Argumenten ihr Recht, und es stellt sich dann schon die Frage, wer denn am meisten von der guten Lehre an den Hochschulen profitiert. Natürlich ist es auch die Gesellschaft, die Nutzen zieht aus gut ausgebildeten Hochschulabsolventinnen und -absolventen. In erster Linie ist aber doch wohl die- oder derjenige, die oder der nach der Hochschulausbildung Zugang zu – immer noch – gut dotierten Stellen bekommt. Diese bleiben aber denen vorenthalten, die zuvor über ihre Steuerabgaben für die Hochschulausbildung mitbezahlt haben. Ist das gerecht? Ich meine nicht.

Australien zeigt z.B., dass es auch anders funktionieren kann. Qualifizierte Lehre, mitfinanziert durch jene, die dieses System zuvor erfolgreich durchlaufen haben und aufgrund dessen ein gutes Einkommen erzielen. In Australien konnten so zum Beispiel deutlich mehr Studienplätze eingerichtet werden, ohne dass der Studierenden-Anteil bildungsferner Schichtangehöriger gesunken wäre. Was ist schlecht daran, diejenigen zur Solidarität verpflichten, die es geschafft haben und es sich leisten können, dem Staat etwas von dem zurück zu geben, was sie zuvor kostenlos in Anspruch genommen haben?

Es ist wichtig, der Bildungsgerechtigkeit mehr zu ihrem Recht zu verhelfen. Sie ist ein hohes Gut, und es muss alles unternommen werden, Selektion aus sozialen Gründen zu verhindern. Solange Studienbeiträge, wie sie aktuell erhoben werden und wurden, und sei es auch nur 'mental' – abschreckend wirken, müssen eben intelligente gerechte Lösungen gefunden werden.

Der Staat wird es sich künftig immer weniger leisten können, bestmögliche Lehre komplett auszufinanzieren. Und den Hochschulen ist es auf Dauer auch nicht zuzumuten, von einer Wahlperiode zur nächsten intelligente Lernarrangements hoch- und dann wieder zurückzufahren – je nach Wählergunst. Das hält das Bildungssystem auf die Dauer nicht aus – und das kann auch keiner ernsthaft wollen. Bildung ist unser aller Zukunft, unsere wichtigste Ressource. Es ist dringend an der Zeit, Verantwortlichkeiten gerechter zu verteilen und das System zukunftssicher zu gestalten."

Weitere Informationen: Prof. Dr. Ulrich Radtke, Tel. 0203/379-1801, rektor@uni-due.de

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