Pressemitteilung der Universität Duisburg-Essen

Physik-Veröffentlichung in „Science“

Der Ablauf des Phasenübergangs

[19.05.2005] Mit Hilfe einer neuen Röntgenquelle, der sogenannten Sub-Picosecond Pulse Source (SPPS) des Linearbeschleunigers SLAC (Stanford, USA), konnte eine internationale Forschergruppe neue, detaillierte Einblicke in den Schmelzvorgang eines Festkörpers gewinnen. In dem Experiment hatten die Physiker eine Probe des Halbleiters Indium-Antimonid durch einen Laserimpuls geschmolzen und die Vorgänge mit der neuen Röntgentechnik dokumentiert. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten sie in dem renommierten Wissenschaftsmagazin „Science“ (Science, Vol. 308, Heft 5720, „Atomic-Scale Visualization of Inertial Dynamics“). An der Arbeit beteiligt waren Dr. Dietrich von der Linde, Professor für Experimentalphysik an der Universität Duisburg-Essen, sowie sein langjähriger Mitarbeiter Dr. Klaus Sokolowski-Tinten, der inzwischen eine Professur an der Universität Jena inne hat.

Zentrales Forschungsergebnis war, dass der Laser-induzierte Fest-Flüssig-Phasenübergang, das heißt das Schmelzen, von der Geschwindigkeit abhängt, die die einzelnen Atome unmittelbar vor der Laseranregung hatten. So konnten die Forscher beobachten, dass der von ihnen gegebene Laserimpuls die Atome zwar schlagartig aus ihrer Bindung befreit, die Atome selbst jedoch ihrer Trägheit folgend kurzzeitig noch den Bewegungszustand vor dem Impuls beibehalten.

Die Möglichkeit dieser detaillierten Einblicke verdankten die Forscher vor allem der neuen Röntgentechnik, die bei dem Experiment erstmals praxisbezogen zum Einsatz kam. Die SPPS erzeugt Röntgenimpulse von weniger als 100 Femtosekunden, was mindestens dreimal kürzer als die bisherigen Röntgen-Möglichkeiten und somit schnell genug für die extreme Geschwindigkeit beim Laser-induzierten Schmelzen ist. „Die Methode, einen Linearbeschleuniger zur Erzeugung eines Röntgenstrahls zu nutzen, ist noch sehr neu“, erklärt Professor von der Linde. Das in den USA vorgenommene Experiment habe allerdings gezeigt, dass die Methode praktisch anwendbar sei.

Dabei standen die Forscher vor Beginn des Experiments vor einem ganz praktischen Problem: Der Laserstrahl zum Schmelzen des Halbleiters und der Röntgenstrahl zur Beobachtung mussten gleichzeitig auf der Probe ankommen. An dieser Stelle konnten Dietrich von der Linde und Klaus Sokolowski-Tinten ihre Erfahrungswerte einbringen. Denn die Arbeit mit kurzen Röntgenblitzen ist seit langem ein Schwerpunkt in der Experimentalphysik auf dem Campus Essen der Universität Duisburg-Essen.

Trotz des ersten Erfolges mit dem Versuchsaufbau handelte es sich bei dem Experiment in den USA nur um eine Vorstufe der neuen Röntgenerzeugung. Ein richtiger Röntgenlaser seien die SPPS-Impulse noch nicht, so von der Linde. Für einen leistungsstarken Laser seien weitere Ausbaustufen, die derzeit mit Investitionen in Milliardenhöhe in den USA (Stanford) und in Europa (beim Deutschen Elektronen Synchrotron DESY, Hamburg) realisiert würden, nötig.

Dennoch gab die Nutzung von SPPS einen kurzen Ausblick auf die Zukunft: In zwanzig bis vierzig Jahren könnten zum Beispiel das Filmen chemischer Reaktionen, die Entschlüsselung der atomaren Struktur von Molekülen oder 3D-Aufnahmen aus der Nanowelt zum wissenschaftlichen Alltag gehören. Professor Dietrich von der Linde kommt zu dem Resümee: „Wir sehen die ersten Anzeichen eines sehr, sehr vielversprechenden Zukunftsprojekts und sind von Anfang an mit dabei. Darüber freuen wir uns.“

Redaktion: Christoph Lindemann, Tel.: (0201) 183-4518

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