© Universitätsorchester

Wie das Uniorchester durch die Krise kommt

„Lasst uns ein kleines Zeichen setzen!“

  • von Kathrin Lohmeyer-Duchatz
  • 08.09.2020

Das Sommersemester: digital. Das Universitätsorchester: auch! Die Musiker*innen spielten einzeln jede Stimme von Bachs „Jesu bleibet meine Freude“ ein. Das Ergebnis ist ein einmaliger Videoclip. Auch die Proben haben wieder begonnen – unter strengen Hygieneregeln. Dirigent Oliver Leo Schmidt spricht über Erfahrungen und Perspektiven. 

Ein Sommersemester ganz ohne Musik? Was hat das Orchester während des März und August gemacht, Herr Schmidt?
Erst einmal nichts. Die Musik lag ja mit einem Mal nahezu regungslos am Boden. Keine Proben, keine Konzerte. Überall diese Stille, und das in einem so musik-affinen Land. Niemand weiß, ob unsere Kulturlandschaft wieder dahin kommt, wo sie war. Aber im Orchester regte sich etwas. Die Mitglieder wollten raus aus dieser Starre. Und sie sagten: Lasst uns ein kleines Zeichen setzen! Wir sind nicht nur als Orchester da, sondern wir wollen zeigen, dass Musizieren ein zutiefst menschliches Bedürfnis ist, von dem alle leben. Und dann kamen die Impulse. Ich war beeindruckt und gerührt.

Wie sah das aus?
Unser Solohornist Lukas sprach von irgendeinem Clip mit Bach, den sie ins Netz stellen wollen. Ich bin kein Liebhaber der digitalen Aufzeichnung. Und dann fragte er mich auch noch, ob ich nicht dazu dirigieren könne: zur Musik, die im Hintergrund läuft. Das ist wie Loriot vor dem Spiegel – Luftfechten ohne Wirkung, und das zu Bachs „Jesus bleibet meine Freude“.

Aber ich hörte, wie sich immer mehr dieser Idee anschlossen und jeder seine Stimme auf seinem Instrument einspielte. Ich sah die Begeisterung, wie unser Fagottist mit seiner Frau, unserer Stimmführerin in den Zweiten Geigen, zusammen Bach spielte. Ein anderer saß mit seiner kleinen Tochter zusammen. Das sind Bilder, die anrühren. Was für ein schönes Zeichen unseres Orchesters. Ich denke, das ist hier im Umfeld einmalig.

Wie geht es im Wintersemester unter diesen Bedingungen weiter?
Schmidt: Das Universitätsorchester unterliegt zwar nicht dem Druck der Profis. Es will aber spielen - aus Leidenschaft. Das Programm haben wir – wie andere auch – komplett den Corona-Regeln unterworfen: nicht länger als eine Stunde und mit kleinen „Hinguckern“: Beethovens Erste Sinfonie und Mendelssohns Violinkonzert mit der sehr jungen Ausnahmegeigerin Eva Otto. Wir müssen, da wir ein sehr großes Orchester sind und nicht alle auf die Bühne dürfen, mit zwei kleinen verschiedenen Besetzungen pro Stück spielen. Das wird für die Proben extrem kompliziert. Hinzu kommen umfangreiche Hygienebestimmungen. Und wir wollen hoffen, dass wir vor ausreichend Publikum in der Philharmonie und im Theater Duisburg spielen. Auch hier gilt weiter: Nur wenig Publikum ist erlaubt. Aber es ist ein Anfang.

Stellt das abgespeckte Programm Sie vor besondere Herausforderungen?
Schmidt: Das Universitätsorchester – abgesehen davon, dass es aus Laien und Semiprofis besteht – kennt kein kammermusikalisches Agieren. Jeder fühlt sich in der großen Gruppe wohl. Nun soll jeder komplett auf sich selbst gestellt sein, weil es diesen „Klangschwarm“ in der kleinen Beethovenbesetzung nicht mehr gibt. Die Anforderungen an alle sind gewaltig. Zu dem kommt: In der Essener Philharmonie spielen zu dürfen, ist eine Auszeichnung mit Anspruch. Ich habe großen Respekt davor. Die phänomenale Akustik trägt, wenn’s läuft, aber sie offenbart auch gnadenlos Schwächen. Das erfordert eine große Disziplin, die das Orchester wohl hat.

Warum ist die Kultur gerade in diesen Zeiten besonders wichtig?
Schmidt: Die Bedeutung einer Sache ist immer auch ihr Gebrauch. Was Kultur genau ist, kann ich Ihnen nicht sagen, wohl aber, was sie für den Einzelnen bedeuten kann. Für die meisten Menschen bedeutet sie „Leben“ im wahrsten Sinne des Wortes. Aber in Corona-Zeiten geht gerade vieles über die Wupper und eben auch Existenzen, wo Kultur doch wesensbestimmend ist.

Die Konzerttermine:
Sonntag, 31. Januar 2021. 16 Uhr, Theater Duisburg
Sonntag,  7. Februar 2021, 11 Uhr, Philharmonie Essen

Programm:
Ludwig van Beethoven – Sinfonie Nr.1, C-Dur op.21
Felix Mendelssohn-Bartholdy – Violinkonzert e-Moll op.64, Solistin: Eva Otto

Weitere Informationen:
Den Videoclip und die Langversion des Interviews finden Sie unter: http://uniorchester-duisburg-essen.de/

 

 

 

 

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