Cover Handreichung
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Interview mit Prof. Ute Klammer und Dr. Maren A. Jochimsen

„Wir müssen den Exzellenzbegriff neu diskutieren!“

  • von Cathrin Becker
  • 03.02.2025

Denkt man an Exzellenz, denkt man an Drittmittel, hochrangige Publikationen und eine internationale Karriere. Doch ist das alles? Das wollten Prof. Dr. Ute Klammer, Institut für Soziologie (IfS), und Dr. Maren A. Jochimsen, Geschäftsführerin des Essener Kollegs für Geschlechterforschung (EKfG), gemeinsam mit ihrem Projektteam herausfinden. Drei Jahre lang hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung das Vorhaben "Exzellenz entdecken und kommunizieren“ (EXENKO)" gefördert. Nun legt das Team Handlungsempfehlungen vor. Wie das Projekt verlaufen ist und warum der Wissenschaftskommunikation dabei eine besondere Rolle zufällt, erklären die beiden Projektleiterinnen im Interview.

Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?

Prof. Ute Klammer: Unser Ausgangspunkt für EXENKO war ein von mir geleitetes Vorgängerprojekt, bei dem uns ein von Professorinnen und Professoren wahrgenommener vermeintlicher Widerspruch zwischen Exzellenz und Gleichstellung aufgefallen ist. Besonders häufig wurde dieser wahrgenommene Konflikt im Zusammenhang mit der Arbeit in Berufungskommissionen thematisiert.

Was haben Sie daraus abgeleitet?

Prof. Ute Klammer: Dass wir uns neu mit dem Exzellenzbegriff auseinandersetzen müssen, denn er wird bisher kaum hinterfragt. Was ist wissenschaftliche Exzellenz eigentlich und wie wollen wir, dass der Begriff an Universitäten und Hochschulen verstanden wird? Das haben wir vorrangig Postdocs und Mitarbeitende aus dem Bereich Hochschulkommunikation, aber auch Personen aus dem Gleichstellungsbereich sowie einige bereits etablierte Professorinnen gefragt.

Was haben diese Gespräche ergeben?

Prof. Ute Klammer: Das Exzellenz nur einen Ausschnitt von Leistung an einer Hochschule abbildet und nicht das ganze Spektrum guter Wissenschaft – und zwar auch nach Meinung vieler jüngerer Wissenschaftler:innen. Die haben den Anspruch, etwas gesellschaftlich Sinnvolles und Innovatives zu tun, inhaltliche Motive stehen im Vordergrund. Auch das Thema gute Lehre und Zusammenarbeit im Team ist ihnen wichtig. Sie wollen nicht nur danach bewertet werden, ob sie hohe Drittmittel einwerben, ob ihre Forschung publizierbar ist, sie international gearbeitet haben oder wie gut ihre Abschlussnote war – also die bisherigen messbaren Kriterien von wissenschaftlicher Exzellenz.

Das führte uns zu der Annahme, dass bestimmte Ebenen von Leistung nicht berücksichtigt werden und möglicherweise auch solche, die dazu führen, dass Wissenschaftlerinnen nicht richtig gesehen werden mit ihren Leistungen in der Hochschule. Eine Schlussfolgerung aus diesem Teil der Studie ist: Wir müssen die Exzellenzbegriff neu diskutieren und auch breiter fassen.

Im zweiten Teil des Projekts ging es genau um diese Sichtbarkeit und wer dabei helfen kann.

Prof. Ute Klammer: Genau. Wir haben festgestellt, dass die Hochschulkommunikation dabei eine entscheidende Rolle spielt, dass aber innerhalb der Hochschule bislang wenig systematisch kommuniziert wird.

Dr. Maren A. Jochimsen: Ein zentraler Teil von EXENKO waren unsere Workshops, die wir an allen vier beteiligten Hochschulen, der Universität zu Köln, der RWTH Aachen University, der Hochschule Ruhr West und unserer eigenen Universität, durchgeführt haben und zu denen alle beteiligten Akteur:innen zusammengekommen sind. Das hat tatsächlich zu einem Aha-Effekt geführt, denn meistens kennt man sich eben nicht oder nur bilateral. Das heißt, es war im Workshop das erste Mal, dass die verschiedenen Gruppen wechselseitig gehört haben, was den anderen Personen wichtig ist.

Worüber wurde sich zum Beispiel ausgetauscht?

Dr. Maren A. Jochimsen: Öffentlichkeitsarbeit steht bei Wissenschaftler:innen nicht ganz oben auf der Liste, sondern ist im Vergleich zu Publikationen oder Drittmitteleinwerbung eher ein Add-on. Oft gibt es zu wenig Zeit, oder es herrscht auch Unsicherheit darüber, welcher Nachrichteninhalt für die Öffentlichkeit relevant sein könnte und zu welchem Zeitpunkt man sich bei der Pressestelle melden sollte. In den Pressestellen wiederum gibt es Unsicherheit darüber, ob das eigene Gleichstellungswissen ausreicht. Die Bedeutung von geschlechtergerechter Sprache ist angekommen, aber die von gendersensibler Bildsprache vielleicht noch nicht.

Was würde es beiden Seiten leichter machen zusammenzukommen?

Dr. Maren A. Jochimsen: Ein erfolgreiches Format, das wir auch in unserer im Projekt EXENKO entwickelten Handreichung ansprechen, ist der sogenannte Science Pitch. Die Aufgabe ist, sich und sein Forschungsthema in 120 Sekunden vorzustellen. Da hat man deutliche Unterschiede bemerkt zwischen Wissenschaftlerinnen, die sich schon mal mit Kommunikation außerhalb ihrer eigenen Fachdisziplin beschäftigt haben und solchen, denen Öffentlichkeitsarbeit fremd war. Erfahrenere Kommunikatorinnen haben sich z. B. bereits die Frage gestellt, wie sich die eigene Forschung gesellschaftsgestaltend auswirkt. Ein Teil der Workshop-Teilnehmerinnen hat so einen ganz neuen Aufhänger zur Betrachtung der eigenen Forschung gefunden, gleichzeitig haben die Hochschulkommunikator:innen viele Ideen für neue Pressemitteilungen und Geschichten mitgenommen.

Prof. Ute Klammer: Einerseits ist Selbstmarketing der Wissenschaftlerinnen wichtig. Wir müssen uns als Wissenschaftlerinnen überlegen, wie wir unsere Erkenntnisse noch verständlicher und auch in der Öffentlichkeit präsentieren könnten. Anderseits kommt die Frage auf, wie Hochschulkommunikator:innen präsentationswürdige Leistungen entdecken und damit auch Wissenschaftlerinnen noch stärker in die Öffentlichkeit bringen könnten.

Wissenschaftlerinnen denken oft, dass sie noch nicht sprechfähig zu ihrer Forschung sind, weil z. B. das Projekt noch nicht abgeschlossen ist, oder sie meinen, dass erst einmal der Lehrstuhlinhaber gefragt werden sollte. Hier können die Pressestellen Wissenschaftlerinnen darin bestärken, mutiger und offensiver zu sein.

Weitere Informationen:
https://www.exzellenz-entdecken.de/

Prof. Dr. Ute Klammer, Institut für Soziologie, Tel. 0203/37 9-1827, ute.klammer@uni-due.de, Dr. Maren A. Jochimsen, Geschäftsführerin Essener Kolleg für Geschlechterforschung, Tel. 0201/18 3-4552, maren.a.jochimsen@uni-due.de

Redaktion: Cathrin Becker, Tel. 0203/37 9-2131, cathrin.becker@uni-due.de

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