IZfB Early Career Researcher Travel Awards

Erstmalig wurden 2023 die IZfB-Travel Awards ausgelobt. Diese sollen IZfB-Mitgliedern im Anfangsstadium ihrer Karriere ermöglichen, Forschende im Bereich der Bildungsforschung in anderen Ländern zu besuchen. Sie sollen die Möglichkeit bieten, die Befunde oder Erfahrungen aus den eigenen Forschungsvorhaben anderen Arbeitsgruppen zu präsentieren, spezifisch einen wichtigen Teilaspekt ihres Vorhabens mit ausgewiesenen Expert:innen zu diskutieren und/oder die eigene Forschungstätigkeit auf andere Weise voranzubringen.
Die Travel Awards können zur Finanzierung von Reise- und Unterkunftskosten verwendet werden.
Die nächste Ausschreibung ist für Februar 2024 geplant.
Preisträger*innen
Wir gratulieren den Preisträger*innen und wünschen einen erfolgreichen Aufenthalt in den Gastinstituionen:
Ausschreibung Frühjahr 2023:
- Sabine Hattinger Allende, Fakultät für Bildungswissenschaften, AG Kindheitsforschung
Aufenthalt am Center for the Study of Child Care Employment at the University of California, Berkeley (in Planung)
- Dr. Miriam Mulders, Fakultät für Bildungswissenschaft, Lehrstuhl für Mediendidaktik und Wissensmanagement
Aufenthalt an der Universität Kopenhagen (01.10.2023 - 12.10.2023)
Ausschreibung Sommer 2023:
-
Katrin Klingbeil, Fakultät für Mathematik, Didaktik der Mathematik
Aufenthalt an der Universität Utrecht (22.09.2023 - 06.10.2023) -
Beatriz Matafora, Fakultät für Bildungswissenschaften, Educational Research and Schooling
Aufenthalt an verschiedenen Einrichtungen in den baltischen Staaten (16.09.2023 – 10.10.2023)
Reiseberichte der Preisträger*innen
Dr. Miriam Mulders, Lehrstuhl für Mediendidaktik und WissensmanagementBesuch der Kopenhagener Universität
Vom 1. bis 12. Oktober 2023 durfte ich den Lehrstuhl Educational Psychology an der Kopenhagener Universität unter der Leitung von Prof. Guido Makransky besuchen.
In den ersten Tagen lernte ich den Arbeitsalltag am Lehrstuhl, auch Virtual Learning Lab genannt, kennen. Ich führte Gespräche mit Guido Makransky und seinen Mitarbeitern und beobachtete die Arbeitsabläufe und -strukturen der einzelnen wissenschaftlichen Mitarbeiter und studentischen Hilfskräfte. Ich testete verschiedene Virtual Reality Lernanwendung, beispielsweise eine Unterwasser-Virtual Reality der Universität Göteborg und die kollaborative Virtual Reality des Schweizer Startups ORamaVR. Zu Beginn durfte ich außerdem im wöchentlichen Arbeitsmeeting die Forschungsprojekte, mit denen ich mich an der UDE beschäftige, vorstellen, darunter auch mein Dissertationsprojekt über eine Virtual Reality Lernanwendung, in welcher man das Versteck von Anne Frank zu Zeiten des zweiten Weltkriegs explorieren kann. Alle waren sehr interessiert an meiner Arbeit und stellten viele Nachfragen. Ein guter Einstieg für meine Zeit in Kopenhagen.
Wenn ich auf die zwei Wochen zurückblicke, habe ich sehr viel lernen können: Besonders interessant für mich, die sich in ihrer Forschung mit den Möglichkeiten des Lehrens und Lernens mit Virtual und Augmented Reality auseinandersetzt, war, wie die Mitarbeiter am Lehrstuhl mit Hardware wie Virtual Reality Headsets umgehen, und das sogar in großer Stückzahl. Beeindruckend fand ich darüber hinaus die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit im Team. Psychologen, Erziehungswissenschaftler und Software-Entwickler arbeiten zusammen an der Erstellung von Virtual Reality Lernapplikationen. Die Software wird am Lehrstuhl agil entwickelt, in iterativen Prozesszyklen im Team evaluiert und optimiert. Ebenso lehrreich für mich war, wie der Lehrstuhl experimentelle Studien in Kooperation mit Kopenhagener Schulen vorbereitet und durchführt. Hier wurde ich aktiv eingebunden, durfte Materialien und Fragebögen testen und überarbeiten sowie den gesamten Studienablauf im Detail durchlaufen. Ein Highlight für mich war, dass ich an meinem letzten Tag mit an eine Kopenhagener Schule fahren durfte und als Versuchsleiter eine Studie, bei der eine kollaborative Virtual Reality eingesetzt wurde, um Klimawandel zu visualisieren und nachhaltige Verhaltensweisen zu fördern, mit durchführen durfte. Die praktischen Erfahrungen, wie Forschung im Konkreten am Lehrstuhl betrieben wird, nehme ich mit an die UDE. Ich konnte insgesamt vielfältige Kontakte knüpfen, die mein wissenschaftliches Netzwerk sehr bereichern. In einigen Gesprächen entstanden sogar erste gemeinsame Projektideen (z.B. zu pädagogischen Agenten in Virtual Reality), die ich nach meinem Forschungsaufenthalt in Kopenhagen weiterverfolgen möchte.
Ich bedanke mich beim IZfB herzlich für die Förderung meines Forschungsaufenthaltes!
Beatriz Matafora, Arbeitsgruppe Educational Research and SchoolingReise ins Baltikum
Als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt International Civic and Citizenship Study (ICCS) habe ich die Möglichkeit, Daten aus einer internationalen Vergleichsstudie mit Jugendlichen aus über 20 Ländern zu analysieren. In meiner Promotion konzentriere ich mich auf die Fragen rund um nationale und europäische Identität. Zurzeit setze ich mich intensiv mit der nationalen und europäischen Identität in den baltischen Ländern (Litauen, Lettland und Estland) auseinander.
Diese Region ist von besonderem Interesse für meine Forschung da die baltischen Länder sowohl an der ICCS-Umfrage von 2016 als auch von 2022 teilgenommen haben, was es mir ermöglicht, Daten vor und nach dem Beginn des Ukraine-Krieges zu vergleichen. Außerdem verfügen diese Länder über eine bedeutende russischsprachige Bevölkerung. Diese historische Tatsache hat zu einer vielschichtigen soziokulturellen Landschaft geführt, in der die Beziehung zu der russischsprachigen Minderheit komplex ist. Selbst mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion besteht in Estland, Lettland und Litauen immer noch ein geteiltes Schulsystem, in dem es Schulen gibt, in denen Schüler*innen hauptsächlich auf Russisch unterrichtet werden können.
Der Vergleich der ICCS-Umfragedaten von 2016 und 2022 in den nationalen Sprachen sowie auf Russisch hat signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen von Schüler*innen bezüglich der Identifikation mit ihrem Wohnsitzland und mit Europa offenbart. Vorort plante ich viele Fragen bezüglich dieses Systems im direkten Austausch zu klären. Positiverweise hat sich das IZfB entschieden, meine geplante Reise mit dem Travel Award zu finanzieren, sodass ich meinen Aufenthalt verlängern und mehr Kontakte verknüpfen konnte.
Am 16. September reiste ich nach Vilnius, der Hauptstadt Litauens und hatte dort die Gelegenheit, mit Professorin Nerija Putinaitė, einer Expertin, die sich mit dem Thema Minderheiten in Litauen beschäftigt, zu sprechen. Neben den litauischsprachigen Schulen gibt es nicht nur Schulen für russisch- sondern auch für polnischsprachige Minderheiten. Professorin Putinaitė betonte, dass Lehrkräfte in diesen Minderheitenschulen ihre Abschlüsse bereits vor langer Zeit erworben haben müssen, da es heutzutage nur noch möglich ist, auf Litauisch zu studieren. Dies kann sich auch auf ihre Art zu unterrichten auswirken. Laut ihr gab es bisher keine Ankündigungen seitens der Regierung, die russischsprachigen Schulen zu schließen.
Von Vilnius fuhr ich mit dem Bus nach Daugavpils, der zweitgrößten Stadt Lettlands. Ich entschied mich bewusst für Daugavpils, da etwa 50% der Einwohner einen russischen Hintergrund haben. Zusätzlich haben ungefähr 13% polnische und etwa 7% belarussische Wurzeln, da die Stadt nahe an der Grenze zu Belarus liegt. Während meines Aufenthalts in Daugavpils traf ich Professorin Ilze Kacane, eine Expertin an der Daugavpils Universität, die sich intensiv mit der Identität der Menschen in dieser Region beschäftigt. Besonders interessant war für mich zu erfahren, wie sich die Lage in Daugavpils seit Beginn des Ukraine-Krieges entwickelt hat. Professorin Kacane konnte mir wertvolle Einblicke bieten. Sie erklärte, dass viele ihrer Studierende einen russischen Hintergrund haben, aber die lettische Sprache sprechen. Diese Studierende berichten ihr von ihren Schwierigkeiten, da ältere Familienmitglieder sich mit Russland und der Sowjetunion identifizieren und Werte vertreten, die sie ablehnen. Die lettische Regierung hat strengere Maßnahmen ergriffen als die litauische Regierung und plant, die russische Sprache bald aus den Schulen zu verbannen.
In Riga, der Hauptstadt Lettlands, traf ich mich mit Kolleg*innen der Latvia University, die für die Durchführung der ICCS-Studie in Lettland verantwortlich sind. Sie organisierten Tagesausflüge für mich, was eine einzigartige Gelegenheit bot, tiefgreifende Gespräche zu führen und weitere Einblicke in das lettische Schulsystem zu gewinnen, insbesondere auch in die Zeit vor der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Lettlands. In Riga hatte ich die Gelegenheit, einen Vortrag vor Bachelor-Studierenden der Sozialwissenschaften zu halten, in dem ich meine ersten Ergebnisse präsentierte und mich mit Ihnen zu Fragen zur nationalen Identität austauschen konnte. Ein besonderer Zufall war, dass alle Studierenden in diesem Seminar russische Wurzeln hatten. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Student, der seine Auseinandersetzung mit der nationalen Identität beschrieb. Er erzählte, dass er sich mit Lettland und seinen Werten identifiziert, obwohl seine Herkunftssprache Russisch ist. In Lettland gilt er als Russe, aber in Russland sieht man ihn als Letten.
In Estland begann meine Reise in Tallinn, wo ich die dort für die ICCS-Studie verantwortlichen Kolleg*innen traf. Die estnische Regierung plant, die russischen Schulen zu schließen. Dies könnte eine dramatische Verschlimmerung des ohnehin schon bestehenden Lehrermangels zur Folge haben, da die Lehrkräfte der russischen Schulen zunächst die estnische Sprachprüfung bestehen müssten. Die Regierung versucht, diesem Problem entgegenzuwirken, indem sie Lehrer*innen höhere Gehälter anbietet, um mehr Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen. Auch wenn junge Menschen in Estland, unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft, die Werte des Landes teilen, bleibt die Sprache eine Herausforderung. Das Estnische hat 14 Grammatikfälle und gilt als eine der schwierigsten Sprachen der Welt. Daher bleibt es für Schüler*innen unterschiedlicher Hintergründe eine Herausforderung, die Sprache zu erlernen und sie so zu beherrschen, dass sie an der Universität erfolgreich studieren können.
Mein letzter Halt führte mich in Estlands drittgrößte Stadt Narva an der Grenze zu Russland. Hier sprechen 95% der Einwohner*innen Russisch als Herkunftssprache. Ich traf mich mit Anastassia Tuder, die ihre Masterarbeit über die Identität junger Menschen in Narva verfasst hat. Ihre qualitativen Interviews führten zu dem Schluss, dass die Menschen sich eher mit Narva als mit Russland oder Estland identifizieren. Für viele ist die Identifikation mit Estland noch ein laufender Prozess. Viele junge Menschen unterstützen die demokratischen Werte Estlands. während viele der älteren Generation an den politischen Entscheidungen Russlands festhalten.
Während der Zeit der Sowjetunion gab es im Baltikum eine beträchtliche Mobilität und Menschen unterschiedlichster Hintergründe lebten und leben noch heute in diesen Regionen. Diese Diversität prägt die Identität und das soziale Gefüge und ist ein wichtiger Aspekt für meine Forschung über nationale und europäische Identität in den baltischen Ländern.
Diese Reise durch Estland, Lettland und Litauen war von unschätzbarem Wert für meine Forschung. Ich bin sehr dankbar für die finanzielle Unterstützung des IZfB, ohne die diese Reise nicht möglich gewesen wäre. Diese Erkenntnisse werden mir nun ermöglichen, meinen Artikel abzuschließen und einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Identitätsbildung in diesen Ländern zu leisten.


Katrin Klingbeil, Fakultät für Mathematik, Didaktik der MathematikAufenthalt an der Universität Utrecht
Dank des IZfB-Travel Awards konnte ich vom 22. September bis zum 6. Oktober das Freudenthal-Institut an der Universität Utrecht besuchen. Das international renommierte Freudenthal-Institut vereint die Fachdidaktiken für Mathematik, Physik, Biologie und Chemie sowie Wissenschaftskommunikation und Geschichte und Philosophie der Naturwissenschaften unter seinem Dach. Für die Mathematikdidaktik ist insbesondere die an Vorgängerinstitutionen entwickelte „Realistic Mathematics Education“ von großer Bedeutung.
Am ersten Tag konnte ich direkt an einem Mini-Symposium zum Thema „Statistikunterricht“ teilnehmen, bei dem Vortragende aus den Niederlanden, Deutschland und den USA verschiedene Entwicklungen und Visionen zum Statistikunterricht vorstellten sowie spannende Einblicke in aktuelle Forschungsprojekte beispielsweise unter Nutzung von Eye-Tracking ermöglichten.
In den folgenden Tagen lernte ich dann den Arbeitsalltag am Freudenthal-Institut besser kennen. Durch das Shared Office der Doktorand:innen sowie den gemütlichen Aufenthaltsraum, in dem mittags stets gemeinsam gegessen wurde, kam ich schnell mit vielen Kolleg:innen aus verschiedenen Fachbereichen in Kontakt. Außerdem durfte ich in Lehrveranstaltungen für (angehende) Mathematiklehrkräfte hospitieren. Spannend war für mich auch die Teilnahme an einem 14-tägig stattfindenden Treffen der Mathematikdidaktiker:innen, bei welchem jeweils ein vorher gelesener Artikel diskutiert wird. In dieser Woche wurde sich zu einem Überblicksartikel zu Visualisierungen ausgetauscht. Donnerstagmittag war ich dann eingeladen im „Research meeting“ des Instituts mein eigenes Forschungsprojekt vorzustellen. Die anschließende Diskussion war sehr anregend, insbesondere da auch Perspektiven aus anderen Fachdidaktiken mit eingebracht wurden. Am Nachmittag konnte ich dann noch am mathematikdidaktischen „Research seminar“ zum Thema „Pre-Service Mathematics Teachers utilization of didactical theory to innovate their internship teaching” teilnehmen, aus dem ich interessante Impulse für meine eigene Seminare zur Vorbereitung und Begleitung der Praxissemesterstudierenden mitnehmen konnte.
Am Freitag folgte dann eine kleine Konferenz mit dem Namen „Onderwijs meets Onderzoek“ (Unterricht trifft Forschung), die das Ziel hat, Akteur:innen aus Schulpraxis und mathematikdidaktischer Forschung zu vernetzen. Der Hauptvortrag und die Workshops standen unter dem Schwerpunkt „Curriculumserneuerungen“. Hier hatte ich die Gelegenheit, die Unterschiede des Schulsystems, des Curriculums und der Lehrkräfteausbildung in den Niederlanden, Flandern und Deutschland besser kennenzulernen. Zusätzlich gab es eine Posterpräsentation zu unterrichtsbezogenen Forschungsprojekten, bei der auch ich ein Poster zu meinem Forschungsprojekt im Bereich digitales formatives Assessment vorstellen durfte.
Am Wochenende durfte dann ein Ausflug zu den in deutschen Mathebüchern so beliebten Kubus- Häusern in Rotterdam natürlich nicht fehlen.
Nachdem die erste Woche aufgrund der vielen Veranstaltungen nur ein wenig Zeit für vorbereitende Planungen und Literaturrecherche zu Auswertungsmethoden gelassen hatte, konnten wir uns in der zweiten Woche dann voll und ganz auf den Hauptgrund meines Aufenthaltes konzentrieren: die gemeinsame Datenanalyse. Dank der weitreichenden Expertise meines Gastgebers Dr. Filip Moons konnten wir verschiedene Analyseansätze mit unterschiedlicher Software testen. Dabei war es unglaublich hilfreich, beispielsweise bei der Latent Transition Analysis die ermittelten Classes direkt gemeinsam inhaltlich interpretieren und deren Sinnhaftigkeit diskutieren zu können, um daraus nächste Schritte abzuleiten. Somit konnten wir einen soliden Grundstein für eine gemeinsame Veröffentlichung legen, die in den nächsten Wochen finalisiert werden soll.
Neben diesen ganz konkreten Analyseergebnissen nehme ich aus diesem Aufenthalt viele spannende Eindrücke und Anregungen für mein Forschungsprojekt, aber auch für meine Lehre und die Arbeit in unserer AG mit. So haben wir beispielsweise in unserer Doktorand:innen-Runde bereits einen Artikel zum gemeinsamen Lesen und Diskutieren herausgesucht. Darüber hinaus konnte ich vielfältige Kontakte knüpfen, aus denen bereits künftige Kooperationen erwachsen sind: Seit kurzem bin ich als Mitglied des International Programme Committee an der Organisation der Konferenz „FAME – Feedback & Assessment in Mathematics Education“ beteiligt, die im nächsten Juni in Utrecht stattfinden wird.
Mein herzlicher Dank gilt dem IZfB, das mir diesen Forschungsaufenthalt ermöglicht hat!