Moritz Herzog-Stamm

GeiWi/Hist. Inst.

Anschrift
Universitätsstr. 2
45141 Essen
Raum
R09 S03 B83

Funktionen

  • Doktorand/in, Geschichte

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Projektskizze Den Staat vergegenwärtigen. Beamtenfortbildung in Deutschland (1918-1935)

Staatsdiener mögen für gewöhnlich keine Revolutionen. Die Reaktion der deutschen Beamtenschaft auf die Novemberrevolution 1918/19 stellte in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Selbstzeugnisse der einzelnen Beamten aus dieser Zeit sowie rückblickende Betrachtungen zeichnen mehrheitlich das Bild einer Katastrophe, die den bisherigen politischen Erfahrungsraum sprengte und tiefe Verunsicherung hervorrief. Im selben Atemzug wurde aber zumeist ebenso betont, dass das eigene pflichtbewusste Weiterarbeiten während und nach der „Staatsumwälzung“ eine noch größere Katastrophe verhindert habe.

Das Dissertationsprojekt nimmt diese Verunsicherungserfahrung der Weimarer Beamtenschaft als Ausgangspunkt und fragt nach den Strategien, mit denen die Akteure versuchten, nach der Revolution Handlungsfähigkeit und Deutungshoheit wiederzuerlangen. Im Fokus steht hierbei eine spezielle Strategie der Kontingenzbewältigung: die Gründung von Weiterbildungseinrichtungen durch die Beamten selbst. Die Arbeit untersucht hierbei insbesondere zwei Institutionen: Zum einen die ursprünglich 1902 gegründete und nach Kriegsunterbrechung 1922 wieder ins Leben gerufene (Deutsche)Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung, die sich an die höhere Beamtenschaft richtete. Zum anderen die Verwaltungsakademie Berlin, die 1919 zur Weiterbildung der mittleren Beamtenschaft etabliert wurde. Ausgangspunkt der Arbeit beider Einrichtungen war die Überzeugung, dass die „Umstände der Moderne“ die Idee ewig sicheren Wissens ad absurdum geführt hätten.

Der sich hieraus entfaltende Reformdiskurs zielte zum einen darauf ab, den Beamten fachliches Wissen zu vermitteln und eine „rationale“ Neugestaltung der Verwaltung voranzutreiben. Zum anderen ging es aber auch darum, das eigene Amtsethos aus dem Kaiserreich in die Republik fortzuentwickeln und sich so seiner eigenen Rolle zu vergewissern. Die Arbeit beider Institutionen lässt sich deshalb auch als eine Form von Zukunftshandeln begreifen, das darauf abzielte, die in wilhelminische Vergangenheit, postrevolutionäre Gegenwart und unklare Zukunft zerbrochene Zeitwahrnehmung wieder in ein kohärentes Ganzes zusammenzusetzen.

Wegen dieses doppelten Erkenntnisinteresses an den Gegenwartsdiagnosen und Selbstverortungen der Beamten einerseits und den sich hieraus ergebenen Implikationen für ihre Weiterbildungspraxis andererseits, versucht die Analyse zwei methodische Perspektiven zu verbinden. Zum einen werden diskursgeschichtliche Ansätze und historische Semantik verzahnt, wobei insbesondere der Begriff des Staates und das ihn im Fortbildungsdiskurs umgebene semantische Feld untersucht wird. Zum anderen wird das konkrete Weiterbildungshandeln durch das Prisma praxistheoretischer Überlegungen in den Blick genommen. In Anlehnung an Thomas Etzemüller fragt die Arbeit danach, wie vonseiten der Weimarer Beamtenschaft eine ordnende Rahmung der eigenen Gegenwart vollzogen wurde, wie also „Denken in Praktiken zu realisieren versucht“ wurde.[1]

Ein solcher Zugriff ermöglicht es, Peter Fritzsches nach wie vor produktiven Vorschlag für die Analyse der Weimarer Republik aufzugreifen, „to disconnect modernism from liberalism and to rethink what really is modern or antimodern“.[2] In diesem Sinne nimmt die Untersuchung die Selbstbeschreibung der Beamten als „moderne Reformer“ ernst und fragt nach den Eigenlogiken und Folgerichtigkeiten, die der Ermittlung und Lösung der im Weiterbildungsdiskurs omnipräsenten „Gegenwartsfragen“ zugrunde lagen.


[1] https://uol.de/thomas-etzemueller/forschung/moderne (letzter Zugriff: 24.5.2021).

[2] Peter Fritzsche, Did Weimar fail?, in: Journal of Modern History 3 (1996), S. 629–656., hier S. 631.


Curriculum vitae Lebenslauf

seit 11/ 2019  wissenschaftlicher Mitarbeiter am DFG-Graduiertenkolleg 1919     „Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage: Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln“, Universität Duisburg-Essen

01/2017 - 03/2019  Studium der Geschichtswissenschaft mit dem Epochenschwerpunkt „Geschichte des 19. - 21. Jahrhunderts" an der Universität Konstanz Abschluss: Master of Arts

04/2011 - 12/2016  Studium der Fächer Geschichte, Politik und Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz. Abschluss: Bachelor of Arts

Praktische Erfahrungen

06/ 2019 – 09/2019  Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Zeitgeschichte, München

04/2018 – 09/2018  Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Zeitgeschichte (Prof. Dr. Sven Reichardt), Universität Konstanz

08/2017 – 10/2017  Praktikant am Institut für Zeitgeschichte, München

10/2016 – 02/2018  Tutor am Fachbereich Geschichte der Universität Konstanz

02/2016 – 04/2016  Praktikant in der Redaktion des Geschichtsmagazins DAMALS

05/2015 – 03/2018  Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte und an der Leibnizforschungsstelle für globale Prozesse (Prof. Dr. Jürgen Osterhammel), Universität Konstanz

Vorträge

11/2020  „Gegenwartsprobleme“ ermitteln und lösen. Die Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung und die Verwaltungsakademie Berlin (1918-1935), Kolloquium zur Neueren und Neuesten Geschichte/ Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Universität Duisburg-Essen

02/2020  „Ringen um Ordnung: Die preußische Polizei zwischen Ohnmacht und Reform unter dem Leitbild der Modernität (1918-1924), Konferenz „Vom drohenden Bürgerkrieg zum staatlichen Gewaltmonopol 1918-1924“, Forschungsstelle Weimarer Republik und Verein Weimarer Republik e.V., Kulturzentrum Mon Ami, Weimar

08/2018  „Wilhelm Abegg und die Demokratisierung der preußischen Polizei“, Konferenz für den wissenschaftlichen Nachwuchs, Thema: „Demokratische Persönlichkeiten in der Weimarer Republik“, Forschungsstelle Weimarer Republik, Universität Jena

Preise

02/2020  Hugo-Preuß-Preis der Forschungsstelle Weimarer Republik (Universität Jena) für die Masterarbeit „Vorsichtiges Bekenntnis zur Republik. Die Reformbemühungen der Polizeiabteilung des preußischen Innenministeriums und die Frage nach Wesen und Funktion der Polizei im Volksstaat (1918-1926)

Publikationen

Ringen um Ordnung. Die preußische Polizei zwischen Selbstvergewisserung und „moderner Reform“ (1918–1924), in: Braune, Andreas/ Dreyer, Michael/  Elsbach, Sebastian (Hg.): Vom drohenden Bürgerkrieg zum demokratischen Gewaltmonopol (1918-1924), Stuttgart 2021 (Weimarer Schriften zur Republik, Bd. 16), S. 171-190.

Tagungsbericht: Zukunftsorientierung und NS-Vergangenheit. NS-Belastungen im bundesdeutschen Atom- bzw. Forschungsministerium, 1955-1972, 10.10.2017 – 11.10.2017 München, in: H-Soz-Kult, 21.11.2017, online hier.

Betreuende Forscher

1. Betreuer: Prof. Dr. Frank Becker

2. BetreuerIn: Prof. Dr. Markus Bernhardt