Projektskizze Diskursivierungen von Arbeitslosigkeit

Mediale Konstruktionen (nicht-)arbeitender Subjekte in Infografiken

Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit massenmedialen Diskursivierungen von Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Konstruktion (nicht-)arbeitender Subjekte von 1967 bis in die Gegenwart. Der Fokus liegt auf der kritischen Analyse von Infografiken, die erstellt werden, um die Komplexität der Informationen zum Arbeitsmarktgeschehen in einfach nachvollziehbare quasi-statistische Darstellungen zu fassen. Indem sie Handlungsträger*innen bestimmen und Willkürlichkeiten aufzulösen scheinen, wirken sie immer auch kontingenzreduzierend.

Da Infografiken Spezialdiskurse zusammenführen, stellen sie Kondensate unterschiedlichsten Wissens über Arbeitslosigkeit dar. Zugleich dienen sie dazu, Entwicklungen und Tendenzen zu visualisieren, (alternative) Prognosen zu stellen und politische wie individuelle Handlungsfähigkeiten und Bewältigungsstrategien zu demonstrieren. Innerhalb demoskopischer Infografiken werden arbeitslose Subjekte vor allem über Praktiken der mangelnden Selbstvorsorge und Produktivität charakterisiert, die als fehlende Voraussetzungen für gesellschaftliche Teilhabe verhandelt und diskursiviert werden.

Weil Arbeitslosigkeit immer an der Schnittstelle von privaten, öffentlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Diskursen verhandelt wird und somit individuelle Lebensfragen mit gesamtgesellschaftlichen Problemlagen verbindet, sind auch die medialen Bildgebungen als Ausgangspunkt für gleichermaßen kollektives wie individuelles Zukunftshandeln und dessen Bewertung zu verstehen.

Anhand der Untersuchung von Infografiken und ihren Begleittexten soll gezeigt werden, auf welche Weise über die regelmäßige Veröffentlichung der Arbeitslosenstatistiken in den bundesdeutschen Massenmedien, die Binär-Opposition Arbeit/Arbeitslosigkeit allererst konstruiert wird und welche Vorstellungen von Arbeit bzw. (nicht-)arbeitenden Subjekten in und mit Infografiken distribuiert und zur Weiterverwendung in gesellschaftlichen Diskussionen bereitgehalten werden. Die grafischen Darstellungsmittel, Symbole und Narrative werden stets in ihrer Historizität analysiert. Anhand der Analyse wird deutlich, dass – so die Hauptthese der Dissertation – die medialen Darstellungen von Arbeitslosigkeit an solchen Subjektivierungsprozessen orientiert sind, die über subjektive Faktoren Korrelationen herstellen und die Verantwortung für Arbeitslosigkeit zunehmend auf das einzelne Individuum hin verschieben. So wird über die Statistik und ihre Bildgebung zwar einerseits politische Handlungsfähigkeit demonstriert, andererseits aber an das intentionale Handeln des Individuums appelliert. Zugleich wird ein Raum konstruiert, der bestimmt, was das  (nicht-)arbeitende Subjekt in der jeweiligen historischen Situation ist, kann und darf. Die Grafiken wirken dann handlungsbefähigend und handlungsanleitend zugleich. Mit der Analyse der beschriebenen Darstellungen leistet die Dissertation einen kritischen Beitrag zur gesellschaftlichen Diskussion um Arbeitslosigkeit.

Curriculum Vitae Lebenslauf

  • Seit 2016: Wissenschaftliche Mitarbeiterin, DFG-GK 1919 "Vorsorge, Voraussicht, Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln"
  • 2015 – 2016: Wissenschaftliche Hilfskraft, „Literatur und Medienpraxis“, Universität Duisburg-Essen
  • 2013 – 2015: Masterstudium der Fächer „Literatur und Medienpraxis“ und „Geschichte“ an der Universität Duisburg-Essen mit der Abschlussarbeit: Die mediale Konstruktion von (nicht-)arbeitenden Subjekten in den Printmedien – Infografiken zur Arbeitslosigkeit im „Handelsblatt“ (ausgezeichnet als beste Masterarbeit der Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen 2016)
  • 2009 – 2013: Bachelorstudium der Fächer „Komparatistik“ und „Geschichte“ an der Ruhr-Universität Bochum mit der Abschlussarbeit: Leben im Text. Die New-York-Romane Paul Austers und Jonathan Safran Foers

Vorträge

  • 01. Dezember 2017: Vortrag im Rahmen der Tagung Parlons travail! Le décloisonnement du travail et sa représentation / Entgrenzungen von Arbeit und ihre Darstellung, Aix-Marseille Université.
  • 23. November 2017: Gastvortrag im Kolloquium für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus (Prof. Dr. Michael Wildt / Dr. Marc Buggeln), Humboldt-Universität zu Berlin.
  • 12. Oktober 2017: Gastvortrag an der University of Cincinnati, USA.
  • 24. Juni 2017: Praktiken des Nichtstuns. Arbeitslosigkeit in der Meinungsforschung, Nachwuchssymposium: „Nur wer arbeitet, soll auch essen!“ Kultur- und Sozialgeschichte der Arbeitslosigkeit (AK Kritische Geschichte), Universität Bamberg.
  • 17. Juni 2017: Karten der Arbeitslosigkeit. Zeit- und Raumkonstruktionen in Berichterstattungen zum Arbeitsmarktgeschehen, Kartengeschichtliches Kolloquium, Universität Zürich.
  • 16. Februar 2017: Kalkulierbare Ängste? Arbeitsmarktstatistiken als Stimmungsbarometer, Potsdamer DoktorandInnen-Forum, Schwerpunkt: Angst! Zeithistorische Konjunkturen eines gesellschaftlichen Phänomens, Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam.
  • 12. Januar 2017: Discoursivation of unemployment. Medial constructions of (non-)working subjects in France and Germany, l’université Paris1 Panthéon Sorbonne.
  • 29. November 2016: (Un)freiwillige Arbeitslosigkeit. Zeitkonstruktionen und –narrative, Gastvortag im Colloquium für soziologische Theorien und Kultursoziologie (Prof. Dr. Dominik Schrage), TU Dresden.
  • 25. November 2016: Subjektivierungen von Arbeitslosigkeit? Bilder nicht-arbeitender Subjekte in Infografiken, Workshop: Bilder von Nicht-Arbeit, Museum der Arbeit, Hamburg.
  • 07.-08. September 2016: Produktivität bei Kathrin Röggla, Tagung: Realitätsf(r)iktionen Kathrin Rögglas Poetik eines neuen Realismus, Universität Duisburg-Essen.
  • 10.–12. Oktober 2014: Die Authentizität der Fiktion und der Realismus der Töne. Ein Vortrag über die Hörspiele von Andreas Ammer und FM Einheit, Student conference: Creating, Questioning, and Playing with Reality: Living in Worlds of Pure Imagination? University of Cincinnati, USA.

Veröffentlichungen

Aufsätze:

  • “short sleeping, quick eating“. Produktivität und Sprechen bei Kathrin Röggla, erscheint demnächst in: Iuditha Balint, Tanja Nusser, Rolf Parr (Hrsg.): Kathrin Röggla, edition text + kritik, München 2017.
  • Begeisterung oder Entschlossenheit? Die Kriegsbereitschaft der Essener Bevölkerung im August 1914, in: Frank Becker (Hrsg.): Der Erste Weltkrieg und die Städte. Studien zur Rhein-Ruhr-Region, Universitätsverlag Rhein-Ruhr, Essen 2015.

Rezensionen:

  • Tentakeln des Kapitalismus. Rezension zu: Damler, Daniel: Konzern und Moderne. Die verbundene juristische Person in der visuellen Kultur 1880–1980, Klostermann, Frankfurt a. M. 2016, erscheint in: neue politische literatur. Berichte aus Geschichts- und Politikwissenschaft, 02/2018.

Betreuende Forscher

1. Betreuer

Prof. Dr. Ute Schneider

2. Betreuer

Prof. Dr. Rolf Parr